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Schweiz
In der Schweiz erhalte man den Eindruck, dass sich die Landesregierung nicht auf einen Plan einigen könne, sagt die FDP-Präsidentin. Sie findet den Auftritt des Bundesrats «enttäuschend».
Was soll Bundespräsident Parmelin in Brüssel erreichen?
Petra Gössi: Ziel muss sein, ein mehrheitsfähiges Abkommen mit den geforderten Verbesserungen nach Hause zu bringen. Wir wollen ein Rahmenabkommen mit der EU, um den bilateralen Weg zu sichern. Der bilaterale Weg ist und bleibt der Königsweg.
Die Erwartungen sind hoch. Ist Parmelin dem gewachsen?
Er muss es sein. Er ist der Bundespräsident. Dieser Belastungsprobe kann er aber nur standhalten, wenn er gut vorbereitet ist – und sich der Gesamtbundesrat darauf geeinigt hat, was er will. Wenn es die EU ablehnt, der Schweiz entgegenzukommen, muss er parallel dazu den Weg für das zukünftige Verhältnis vorbereiten. Entscheidend ist, dass der bilaterale Weg fortgeführt wird – und zwar ohne ewige Nadelstiche. Das ist die grosse Herausforderung.
Der Plan B von Aussenminister Cassis scheiterte deutlich. Will der Bundesrat überhaupt einen B?
Ich habe bis jetzt nicht offiziell gehört, wie der Bundesrat den bilateralen Weg sichern will, scheitert das Rahmenabkommen. Alle Informationen bisher in den Medien sind Mutmassungen.
Sie erteilen dem Bundesrat keine guten Noten?
Nein. Ich finde seinen Auftritt enttäuschend. Wir wissen schon seit Jahren, dass wir den bilateralen Weg sichern sollten. Dafür muss man in Varianten denken. Der Bundesrat muss wissen, wie er dieses Ziel erreichen will. Natürlich kann er alles geheim verhandeln. Das, was nach aussen dringt, deutet aber nicht darauf hin, dass er den klaren Weg sieht. Das ist umso enttäuschender, weil jeder einzelne Bundesrat in seinem Themenbereich auf ein gutes Verhältnis mit der EU angewiesen ist. Der Gesamtbundesrat als Kollegium hat eine Verantwortung: Er muss für das Wohl des Landes sorgen.
An welche Themen denken Sie?
Ich habe von Bundesrat Parmelin bisher nichts gehört, wie er «Horizon Europe» absichern und den Forschungsstandort Schweiz retten will, wenn das Rahmenabkommen scheitert. Und ich habe von Bundesrätin Sommaruga noch nichts dazu gehört, wie sie die Ziele der Energiestrategie 2050 erreichen will ohne Stromabkommen mit der EU.
Die beiden FDP-Bundesräte machen auch nicht die beste Falle.
Es bringt nichts, sich auf einzelne Bundesräte zu fokussieren. Der Gesamtbundesrat muss das Dossier vorwärtsbringen. Die Blockade-Politik von SVP und SP, die zusammen im Bundesrat eine Mehrheit bilden, bremst die Regierung allerdings im InstA-Dossier seit Jahren. Die SVP wollte mal ein Freihandelsabkommen, bis sie realisierte, dass damit der Schutz der Landwirtschaft wegfallen würde. Und die SP-Bundesräte folgen den Gewerkschaften, die aus Eigeninteresse alles blockieren.
Die FDP hat einen Plan B vorgelegt für die Phase nach einem Scheitern des Abkommens. Wie sieht er aus?
Wir setzen auf einen Drei-Säulen-Plan. Die erste Säule beantwortet die Frage, wie es weitergehen soll mit der EU. Wir wollen den bilateralen Weg unbedingt aufrechterhalten. Wir setzen darauf, dass die technischen Anpassungen im Handelsbereich oder im Luftverkehr dynamisiert fortgesetzt werden. Parallel dazu möchten wir weitere Abkommen aufgleisen. Die blockierte Kohäsionsmilliarde ist für uns auch ein Teil der Verhandlungsmasse. Wenn auch nicht der wichtigste.
Welche sehen Sie noch?
Das ist eine Herausforderung. Diese verhandlungstaktischen Fragen muss der Bundesrat beantworten. Deshalb ist es so wichtig, dass Bundespräsident Parmelin weiss, mit welchen Zielsetzungen er nach Brüssel fliegt.
Was ist die zweite Säule?
Wir möchten wieder verstärkt Freihandelsabkommen mit Drittstaaten aufgleisen und Verhandlungen deblockieren, die seit Jahren festgefahren sind.
Und die dritte?
Es geht darum, die Regulierungen zurückzufahren, um die Rahmenbedingungen in der Schweiz zu verbessern. Wir brauchen ein wirtschaftspolitisches Fitness-Programm. Mit der Coronapandemie wird dieses noch dringlicher. Die Schweiz muss aus ihrer Lethargie erwachen und sich fit machen.
Ist die EU besser auf das Treffen vorbereitet als die Schweiz? Wie sehen Sie das?
Die EU-Seite ist hervorragend organisiert. Sogar Vertreter von einzelnen Mitgliedstaaten kommunizieren genau in der Linie der EU-Kommission. Sie wissen schon im Vorfeld, was die EU will. Bei uns hingegen erhält man den Eindruck, dass sich die Landesregierung nicht auf einen Plan einigen kann. So ist es natürlich schwierig, mit voller Kraft in Verhandlungen zu steigen.