Diplomatie
Nach politischem Eiertanz: Kein Bundesrat reist an die Winterspiele nach Peking – und weshalb das trotzdem kein Eklat ist

Nur gerade Bernardino Regazzoni, der Botschafter in Peking, vertritt die Schweiz an den olympischen Winterspielen. Damit befindet sich die Schweiz in bester Gesellschaft.

Othmar von Matt
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2018 war Bundespräsident Alain Berset an den Winterspielen in Pyeongchang.

2018 war Bundespräsident Alain Berset an den Winterspielen in Pyeongchang.

Keystone

Österreich und Deutschland entsenden kein Mitglied der Regierung an die Eröffnungsfeier der Winterspiele in Peking. Genauso wenig wie Schweden und Japan. Italien schickt nur einen Unterstaatssekretär, Slowenien eine Botschafterin.

Dänemark, die Niederlande und Belgien boykottieren die Winterspiele auf diplomatischem Parkett, genauso wie die USA, Grossbritannien, Australien, Kanada und Neuseeland.

Nur zwei grosse Staaten entsenden Präsidenten

Finnland und Frankreich wollen immerhin mit Sportminister und Sportministerin vertreten sein. Es sind aber nur zwei grosse westliche Staaten, die China die volle Ehre erweisen: Polens Präsident Andrzej Duda und Russlands Staatspräsident Wladimir Putin. Letzterer erhielt eine Einladung von Chinas Präsident Xi Jinping.

Diese Liste belegt eines: Die Schweiz ist international in bester Gesellschaft, wenn sie kein Regierungsmitglied an die Eröffnungsfeier der Winterspiele in Peking entsendet. Der Bundesrat sagt die Teilnahme wegen der Pandemie ab.

In der Medienmitteilung erwähnt die Bundeskanzlei die Menschenrechtslage mit keinem Wort. Der Umgang Chinas mit den Uiguren, die Unterdrückung der Demokratiebewegung in Hongkong und die Drohungen gegen Taiwan hatten den diplomatischen Boykott etwa der USA ausgelöst. Politische Überlegungen hätten beim Entscheid keine Rolle gespielt, sagte Bundesratssprecher André Simonazzi gestern.

Die Restriktionen schreckten die Bundesräte ab

Die Pandemie verunmögliche in China «substanzielle bilaterale Treffen» und Kontakte mit Athletinnen und Athleten, schreibt die Bundeskanzlei zur Begründung. Die starken Einschränkungen hatten die Bundesratsmitglieder abgeschreckt.

Schon länger war klar, dass weder Bundespräsident Ignazio Cassis noch Sportministerin Viola Amherd nach Peking wollten. Aber auch Finanzminister Ueli Maurer und Wirtschaftsminister Guy Parmelin sagten ab, die ein gewisses Interesse signalisiert hatten. Für einen Auftritt im Staatsfernsehen von China alleine wollte niemand nach Peking reisen.

«Höchst unsichere» Treffen mit chinesischen Ministern

Im Aussendepartement (EDA) spricht man von einem «minimalen Programm» angesichts des restriktiven Covid-Protokolls, das möglich war. Es sei «höchst unsicher» gewesen, ob bilaterale Treffen mit chinesischen Ministern hätten stattfinden können.

Dazu kommt: Regierungsvertreter hätten sich demselben Prozedere unterziehen müssen wie Athletinnen und Athleten. «Testen bei der Einreise gehört zum Standard-Covid-Protokoll und gilt auch für Würdenträger», schreibt das EDA. Regierungsmitglieder müssen sich ebenfalls regelmässig testen lassen.

China ist froh, dass nicht zu viele Regierungsvertreter einreisen

Noch immer versucht China, seine Null-Covid-Strategie durchzuziehen. Mit der ansteckenderen Variante Omikron, stösst das Land aber an Grenzen. Die chinesische Regierung dürfte nicht unglücklich sein, wenn zu den 2892 Teilnehmenden nicht unzählige Regierungsmitglieder einreisen. Damit minimiert sich die politische Gefahr für die Schweiz, dass China die Absage als Eklat empfindet.

Unverhofft macht damit die Pandemie möglich, was Grüne und SP gefordert haben: Kein Bundesratsmitglied soll nach Peking fliegen. «Es darf nicht sein, dass unsere Bundesräte die chinesische PR-Show beklatschen», sagte etwa SP-Nationalrat Fabian Molina.

Nun wird der Vorschlag von SP-Ständerat Carlos Sommaruga Realität, die Schweiz solle nur einen Botschafter entsenden. Es ist Bernardino Regazzoni, der Botschafter in Peking, der die Schweiz vertritt.

Swiss Olympic bedauert, findet den Entscheid aber «nachvollziehbar»

Swiss Olympic nimmt «mit Bedauern» zur Kenntnis, dass kein Bundesratsmitglied nach Peking reist, wie es Präsident Jürg Stahl formuliert. «Denn eine solche Präsenz zeigt immer die Wertschätzung gegenüber den Athletinnen und Athleten.»

Angesichts der Umstände ist der Entscheid aber auch für ihn «nachvollziehbar». «Eine Interaktion mit den Athletinnen und Athleten vor Ort wäre nicht möglich», sagt Jürg Stahl. «Wir sind aber sicher, dass die Delegation die Unterstützung des Bundesrats und jene der Bevölkerung auch aus der Ferne spürt.»