MInarett
Es droht ein jahrelanger Rechtstreit

Das Langenthaler Minarett darf gebaut werden – Rechtspolitiker sind empört. Staatsrechtsprofessoren können den Entscheid der Berner Behörden nachvollziehen. Äussern aber auch Bedenken.

Beat Rechsteiner, Christof Forster
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«Das ist ein Riesenskandal»

«Das ist ein Riesenskandal»

Der Entscheid treibt Walter Wobmann die Zornesröte ins Gesicht. «Das ist eine Provokation der Stimmbürger, ein Riesenskandal und politisch völlig verantwortungslos», entfährt es dem SVP-Nationalrat, der sich im vergangenen Jahr an vorderster Front für das Minarettverbot eingesetzt hatte.

Altes Recht gilt

Wobmann verliess sich auf Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf. Am Tag der Abstimmung gab sie vor den Medien in Bern zu Protokoll, dass geplante Bauten, bei denen noch ein Beschwerdeverfahren läuft, gemäss ihrer Auslegung unter das neue Verbot fallen. Nun soll diese erste Einschätzung der Bundesrätin keine Gültigkeit mehr haben: Gestern teilte die Baudirektion des Kantons Bern mit, dass die Baubeschwerde abgelehnt wird und das Minarett gebaut werden darf. Die Begründung: Weil Langenthal die Baubewilligung schon am 30. Juni 2009 erteilt hatte, die Abstimmung über das Minarettverbot aber erst am 29. November und während des Beschwerdeverfahrens stattfand, gilt das alte Recht.

Widmer-Schlumpfs Justizdepartement mochte den Entscheid der Kantonsbehörde gestern «in Respekt vor den ordentlichen Zuständigkeiten» nicht beurteilen. Allerdings fordern Rechtspolitiker wie SVP-Nationalrat Ulrich Schlüer, dass der Bund in dem Fall einschreitet.

Weiterzug wahrscheinlich

Dazu dürfte es vorderhand aber nicht kommen. Am Zug sind jetzt vielmehr die lokalen Minarettgegner. Und diese werden den Fall wohl ans bernische Verwaltungsgericht weiterziehen. Das sei «höchstwahrscheinlich», sagte gestern Daniel Zingg vom Komitee «Stopp Minarett».

Wie die Chancen vor Gericht stehen, ist gemäss Staatsrechtsexperten schwer einzuschätzen. Laut Andreas Auer vom Zentrum für Demokratie in Aarau stehe der Entscheid der Berner Kantonalbehörde zwar «auf solidem Boden» und entspreche ständiger Praxis. Allerdings, so gibt er zu bedenken, stehe dem die geänderte Bundesverfassung mit dem Minarettverbot gegenüber. Auch Markus Schefer von der Universität Basel hält das Bundesverfassungsrecht für «ein gutes Argument», um der Auslegung der Berner Baudirektion entgegenzutreten.

Weitergezogen werden kann der Fall in der Schweiz bis vor Bundesgericht. Sowohl Auer als auch Schefer erinnern aber daran, dass das letzte Wort auch vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg gesprochen werden könnte. Dabei ginge es dann um die Frage, ob das Minarettverbot mit dem Grundrecht auf Religionsfreiheit vereinbar und das Abstimmungsergebnis überhaupt umsetzbar ist.

Auf muslimischer Seite wurde der Beschluss zufrieden zur Kenntnis genommen. Ismail Amin, Präsident Vereinigung der islamischen Organisationen in Zürich spricht von einem «fairen, gerechten und wichtigen Entscheid», der sehr positiv sei für die islamische Glaubensgemeinschaft.

Auf Unverständnis stösst derweil der ebenfalls von der Berner Baudirektion gefällte Entscheid gegen den geplanten Ausbau des islamischen Kultus- und Begegnungszentrums in Langenthal.