Begrenzungsinitiative
Eintrittspreis für Zuwanderer? Warum der Bundesrat diese Idee ablehnt

Wirtschaftsprofessoren bringen eine Zuwanderungsabgabe als Alternative für den freien Personenverkehr ins Spiel. Der Bundesrat warnt vor negativen Folgen.

Drucken
«Dann käme es zu einer nachhaltigeren Zuwanderung»: Professor Christoph Schaltegger.

«Dann käme es zu einer nachhaltigeren Zuwanderung»: Professor Christoph Schaltegger.

Philipp Schmidli

Es ist eine der Schlüsselfragen in der Debatte um die Begrenzungsinitiative der SVP: Findet die Schweiz auch ohne Personenfreizügigkeit genügend Fachkräfte? Ökonomen beurteilen diese Frage unterschiedlich, wie eine Umfrage unserer Zeitung zeigt. Christoph Schaltegger, Wirtschaftsprofessor an der Universität Luzern, bringt eine Zuwanderungsabgabe ins Spiel:

Wenn man die Zuwanderung durch Zutrittspreise und Nutzungsgebühren regulieren würde, käme es zu einer nachhaltigeren Zuwanderung für die öffentlichen Leistungen und den Sozialstaat mit genügend Fachkräften auf dem Schweizer Arbeitsmarkt.

Ein Verfechter der Zuwanderungsabgabe ist auch der Freiburger Wirtschaftsprofessor Reiner Eichenberger.

Bundesrat bangt um Wettbewerbsfähigkeit

Erst in der vergangenen Woche erteilte der Bundesrat dieser Idee aber eine Absage. In der Antwort auf einen Vorstoss des St. Galler SVP-Nationalrats Roland Büchel schrieb er, eine Zuwanderungsabgabe wäre nicht mir der Personenfreizügigkeit vereinbar, da bei Inländern keine vergleichbare Abgabe fällig würde. Mit anderen Worten: Die Zuwanderer würden diskriminiert.

Der Bundesrat ist zudem überzeugt: Die Personenfreizügigkeit stärkt die Wettbewerbsfähigkeit und sichert Arbeitsplätze, weil sie eine rasche, flexible und unbürokratische Rekrutierung von Arbeitskräften erlaubt. «Ein Modell, welches eine Zuwanderungsabgabe ermöglicht, hätte folglich zwangsläufig weitreichende negative Folgen für die Wirtschaft», so der Bundesrat. Roland Büchel hatte wissen wollen, wie sich eine einmalige Zuwanderungsabgabe von 5000 oder 2000 Franken auf die Schweiz auswirken würde – und ob dadurch vermehrt höher qualifizierte Arbeitskräfte in die Schweiz zögen.

Eine Kurtaxe als Lösung

Eine einmalige Zuwanderungsabgabe findet auch Reiner Eichenberger falsch. Stattdessen schwebt ihm eine Art Kurtaxe vor, die alle Neuzuwanderer während einigen Jahren leisten müssten, eine kleine finanzielle Zusatzabgabe also im Verhältnis zur Aufenthaltszeit, die auch für Grenzgänger erhoben werden könnte. Die Schweiz müsse die Personenfreizügigkeit mit der EU beenden und die Zuwanderungen wieder selber steuern, sagt der Freiburger Wirtschaftsprofessor.

Die Zuwanderung solle aber möglichst frei von bürokratischen Hürden sein. Eichenberger argumentiert, die Steuer- und Abgabenbelastung wäre für die Zuwanderer immer noch deutlich tiefer als in der EU. «Aber die Einnahmen von je nach Modell 1,5 bis 3 Milliarden Franken pro Jahr gäben den Einheimischen beste Anreize, für Offenheit und gute Politik einzustehen.» Eichenberger schlägt vor, einen Teil der Einnahmen an die EU zu überweisen, als Abgeltung für den Brain Drain:

Dann würde Brüssel das Modell sofort verstehen.

Und Eichenberger ermuntert die Schweiz sodann, einen «tatsächlichen Personenfreizügigkeitsindex zu erstellen», der misst, wie leicht man in der Schweiz einen Job und eine Wohnung zu üblichen Marktkonditionen finden kann. «In den meisten Ländern kann man das nicht, weil die Märkte total verreguliert sind, also die Neumarkteintreter sehr viel schlechtere Konditionen haben als die bisherigen Stellen- und Wohnungsinhaber.»

Professor Reiner Eichenberger.

Professor Reiner Eichenberger.

zvg

Professor Eichenberger kritisiert seit Langem, der Bundesrat ignoriere die wahren Kosten und Probleme der Personenfreizügigkeit. «Viele der für die Wirtschaftstätigkeit und die Lebensqualität entscheidenden Faktoren können nur sehr langsam und zu stark steigenden Kosten vermehrt werden, wenn überhaupt: Das gilt insbesondere für Land, Infrastruktur, Umweltgüter sowie die Einhaltung von Selbstversorgungszielen.» Weil so das zuwanderungsbedingte schnelle Bevölkerungswachstum die betreffenden Kosten überproportional steigen lasse, reichten die Steuerzahlungen und Beiträge der Zuwanderer nicht zur Deckung der von ihnen verursachten Mehrkosten. Die bisherigen Einwohner müssten massiv mitzahlen und würden so ärmer.