Machtkampf
Einheit der Partei in Frage gestellt: Fraktionschef Lombardi verärgert CVP

Zum wiederholten Mal stellt Fraktionschef Filippo Lombardi den Sitz von Bundesrätin Widmer-Schlumpf infrage. Parteikollegen werfen ihm Selbstprofilierung vor.

Dennis Bühler
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Ein Bild aus dem Jahr 2008: Filippo Lombardi diskutiert mit Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf im Ständeratssaal.

Ein Bild aus dem Jahr 2008: Filippo Lombardi diskutiert mit Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf im Ständeratssaal.

Keystone

Kaum schien die Verstimmung innerhalb der CVP ein wenig abgeklungen, legt Filippo Lombardi nach. In der aktuellen Ausgabe der «Schweizer Illustrierten» wiederholt er fast wortwörtlich die Äusserungen, die ihm nach einem im «Corriere del Ticino» veröffentlichten Gastbeitrag im August harsche Kritik der Parteispitze um Präsident Christophe Darbellay eingebracht haben.

«Blocher ist seit seiner Abwahl beleidigt und auf Rache aus», sagt er. «Das kann für das System Schweiz, das auf Konkordanz beruht, nicht gut sein.» Und: Im Moment spiele «die Logik der Konkordanz gegen Widmer-Schlumpf».

Eigene Bundesratsambitionen

Nun ist Lombardi nicht irgendein Parlamentarier, sondern seit Anfang 2014 CVP-Fraktionschef. Sein Wort hat Gewicht – und Strahlkraft nach aussen. Umso schlechter kommt es bei seinen Parteikollegen an, wenn er nur Wochen nach seiner halbherzigen Entschuldigung erneut mit Worten vorprescht, die so gar nicht der
CVP-Mehrheitsmeinung entsprechen. Schliesslich war es die Mittepartei, die 2007 bei der Abwahl Christoph Blochers aus dem Bundesrat und
der Inthronisierung von Eveline Widmer-Schlumpf eine entscheidende Rolle spielte und der BDP-Magistratin seither die Stange hält.

«Ich finde es ungeschickt, wenn eines unserer Aushängeschilder so kurz vor den Wahlen Äusserungen tätigt, welche die Einheit der Partei infrage stellen», sagt der Solothurner Ständerat Pirmin Bischof. «Darauf zu verzichten, wäre eine Frage des politischen Stils und der Loyalität gegenüber der Partei.» Ins gleiche Horn stösst der Bündner Ständerat Stefan Engler: «Solche Selbstprofilierungen schaden der Partei. Dies können wir uns so kurz vor den Wahlen nicht leisten.» Und auch der Luzerner Ständerat Konrad Graber sagt: «Als Fraktionschef muss Lombardi selbst verantworten, was er sagt. Klar aber ist: Solche Äusserungen können die CVP Stimmen kosten.»

Seit längerem werden Lombardi Bundesratsambitionen nachgesagt: Sollte CVP-Magistratin Doris Leuthard im Laufe der kommenden Legislatur zurücktreten, würde sich der Tessiner um ihre Nachfolge bewerben. Er halte sich «für das Volk jederzeit bereit». Weil die Wehklagen aus dem seit 1999 nicht mehr in der Regierung vertretenen Kanton Tessin stetig lauter werden, stünden seine Chancen nicht schlecht – sofern er es sich nun nicht mit der eigenen Partei verscherzt. «Parteipräsidenten und Fraktionschefs sollten ausschliesslich Personen sein, die keine eigenen Bundesratsambitionen haben», sagt Engler. Lombardi wollte gestern keine Stellung nehmen: «Dieses Thema interessiert mich nicht. Wenn jemand nicht mit mir zufrieden ist, soll er mir dies direkt sagen.»

Zerreissprobe droht

Nicht nur wegen Lombardi, auch wegen einer zweiten Personalie steht die CVP in den nächsten Monaten vor einer Zerreissprobe: Der Zuger Nationalrat Gerhard Pfister gilt als aussichtsreichster Kandidat für die Nachfolge von Parteipräsident Darbellay, der sein Amt im kommenden Frühjahr abgeben wird. Pfister aber politisiert von allen Christdemokraten am weitesten rechts. Wird ihm das Ruder übergeben und bleibt Lombardi Fraktionschef, geben zwei Rechtsausleger den Kurs vor. Dieser Verschiebung käme nationale Bedeutung zu, sucht die Partei bisher doch je nach Thema Mehrheiten mit der Ratsrechten und -linken.

Im Parteiensystem sei es die Aufgabe der CVP, Brückenbauer und nicht Sprengmeister zu sein, sagt der Bündner Nationalrat Martin Candinas. Ohne Lombardi und Pfister namentlich zu nennen stellt er klar: «Parteipräsidenten und Fraktionschefs müssen deshalb Personen sein, die Einigkeit herstellen können und nicht zu extrem sind. Die CVP braucht in diesen Positionen Moderatoren, nicht Dompteure.»