Schwer zu sagen, ob Erwin Beyeler in dieser Nacht gut geschlafen hat. Heute nämlich entscheidet die Gerichtskommission, ob sie den Schaffhauser der Vereinigten Bundesversammlung zur Wiederwahl empfehlen soll.
Für Beyeler ein schwerwiegender Entscheid. Heisst das Urteil nein, hat er bald wieder mehr Zeit, seinem Hobby Theaterspielen nachzugehen.
Wie die Kommission entscheidet, ist unsicher. Insbesondere nach dem Freispruch des Zürcher Bankiers Oskar Holenweger durch das Bundesstrafgericht war der Bundesanwalt in die Kritik geraten. Daraufhin hatte es in der Kommission einen Antrag auf Nichtwiederwahl gegeben, zu welchem sich Beyeler wiederum äussern konnte. Gemäss Kommissionspräsident Reto Wehrli (CVP, Schwyz) hat er dies schriftlich getan und wird heute nochmals persönlich für sich werben.
Noch vier Jahre ertragen
Unterdessen stehen auch Beyelers Chancen auf eine Wiederwahl besser. Vor allem, weil nicht klar ist, welche Gründe die Kommission für die Nicht-Empfehlung geltend macht und insbesondere, ob sie ihm schwere sachliche Fehler nachweisen muss. Allenfalls könnte Beyeler nämlich Schadenersatz einfordern, wie die «SonntagsZeitung» berichtete.
Daher könnte sich die Kommission dazu durchringen, Beyeler noch für vier Jahre zu ertragen und dann eine ordentliche Wahl, bei der die Stelle ausgeschrieben werden würde, durchzuführen. Aktuell steht nur eine Wiederwahl an, bei der keine anderen Kandidaten zugelassen sind. Dass so verfahren wird, hatte die Kommission im Februar entschieden – also vor dem Holenweger-Urteil. Ein Fehler, wie nun manche Kommissionsmitglieder zugeben.
Beyeler das Organisationstalent
Der Fall Holenweger wird aber ohnehin nicht ausschlaggebend sein. Vielmehr muss die Kommission Beyelers gesamte Amtszeit betrachten – und hier nicht nur die erreichten Urteile. Abseits davon kann man auch Stärken Beyelers ausmachen. Zwar gilt er nicht als überragender Jurist, auch seinem Führungsstil wird nicht das beste Zeugnis ausgestellt. Dafür gilt Beyeler als Spitzen-Organisator. So habe er aus der St.Galler Staatsanwaltschaft eine einheitliche und zeitgemässe Behörde gemacht, wie Insider sagen.
Organisationstalent hat für die Führung der Bundesanwaltschaft, die seit Anfang des Jahres unter neuen Bedingungen arbeiten muss, grosse Bedeutung. Aussenstehende berichten von einem «Korpsgeist» in der Behörde. Und viele Politiker schätzen, dass Beyeler im Gegensatz zu seinen Vorgängern Carla Del Ponte und Valentin Roschacher eine eher zurückhaltende Natur ist. Das könnte reichen, um das Theaterspielen noch warten zu lassen.