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Schweiz
Grenzzäune und Grenzkontrollen bewirken vor allem eines: Vertriebene Menschen suchen sich ihren Weg immer wieder aufs Neue. Was, wenn Tausende in die Schweiz finden?
Was wäre, wenn die Schweiz zum gelobten Land für Flüchtlinge würde? Die Flüchtlinge wollen nach Deutschland. Noch. Doch wäre die Schweiz bereit, wenn sie plötzlich zu Tausenden zu uns kommen? Wie die Schweiz reagieren könnte, zeigen die in der Grafik dargestellten und hier erklärten drei Szenarien.
1. Status quo: Die Flüchtlinge lassen die Schweiz links liegen
Es ist das bequemste Szenario für die Schweiz – und das vom Staatssekretariat für Migration (SEM) prognostizierte. Unverändert geht das SEM von 29 000 plus, minus 2500 Asylgesuchen im laufenden Jahr aus.
Zwar ist eine Unterschreitung der 29 000 Gesuche aus Sicht des SEM-Sprechers Martin Reichlin «wenig wahrscheinlich», doch mit einer förmlichen Explosion der Zahlen rechnet der Bund nicht.
Warum? Sowohl Flüchtlinge als auch ihre Schlepper orientierten sich gemäss SEM an den europäischen Hauptverkehrsachsen. Vom Balkan herkommend, führen diese nicht via Schweiz.
Hinzu kommt, dass Flüchtlinge in die Länder wollen, in welchen es bereits eine grosse Diaspora gibt. In der Schweiz leben vergleichsweise wenig Syrer, dafür viele Eritreer, was erklärt, weshalb Eritreer gerne in die Schweiz kommen.
Ganz sicher ist sich der mit seinen Prognosen nicht. Vorsorglich hat er die Kantone dieser Tage angewiesen, sich für einen Flüchtlingsansturm zu rüsten.
2. Massiver Anstieg der Gesuche: Die Schweiz wird zum Zielland
Zu einem Ansturm auf die Schweiz könnte es kommen, wenn Deutschland seine Nachbarländer in die Pflicht zur Solidarität nimmt. Welche Wirkung Ankündigungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel haben, zeigte sich schon, als sie verkündete: «Wir schaffen das.» Die Worte entfalteten eine regelrechte Sogwirkung.
Was also, wenn die Flüchtlinge zu Tausenden in die Schweiz kommen und hierzulande um Aufnahme bitten? Wer ein Asylgesuch stellt, kommt erst einmal ins Asylverfahren und muss untergebracht und versorgt werden. Auch Flüchtlinge, die in einem EU-Land bereits registriert worden sind (Dublin-Fälle), brauchen bis zur Abklärung ihres Status ein Dach über dem Kopf.
Bei einem raschen massiven Anstieg käme wahrscheinlich das vom Bundesrat im Jahr 2012 verabschiedete «Notfallkonzept Asyl» zum Einsatz.
Es sieht vor, dass die Kantone Unterkünfte bereitstellen müssen, wenn die Kapazitäten des Bunds überlastet sind. Das bereits oben erwähnte Schreiben von dieser Woche diesbezüglich war nicht nur zur Freude der Kantone, die sich mit der Suche nach Unterbringungsplätzen schwertun.
Bei vielen Gesuchen können Hotelzimmer, Zivilschutzanlagen oder auch Turnhallen zur Unterbringung dienen. Und wenn sich die Bevölkerung wehrt?
Schweizweit gilt zumindest die polizeiliche Generalklausel: Die Behörden könnten auch Zwangsmassnahmen ergreifen, damit kein Mensch auf der Strasse schlafen muss.
3. Andrang an der Grenze: Die Schweiz wird zum Transitland
Was aber, wenn die Menschen gar nicht in die Schweiz, sondern nur durchreisen wollen? Dazu könnte es kommen, wenn sich die Route der Flüchtlinge auf dem Balkan einmal mehr ändert.
Kenner der Verhältnisse auf dem Balkan nennen häufig eine bisher noch wenig bekannte Route: diejenige via Albanien nach Italien. Schnellboote bringen schon heute Waren und Menschen über die Meeresenge zwischen Albanien und Süditalien. Von da ginge es in einem direkten Weg über Mailand und die Schweiz nach Deutschland.
Gemäss den Dublin-Verträgen müsste die Schweiz die Menschen registrieren und an ein Empfangszentrum zuweisen. Es ist jedoch nicht so, dass sich die Schweiz anders verhält als andere europäische Transitländer, die Dublin-Regeln also wie Italien oder Österreich missachtet.
Wie der Berner Migrationsrechtler Alberto Achermann zur «Nordwestschweiz» sagt, werden bereits heute Flüchtlinge unregistriert durch die Schweiz geschleust: Im Nachtzug von Mailand via Schweiz nach Paris. Bei explodierenden Zahlen könnte auch die Zahl derer massiv ansteigen, die das Land unregistriert durchqueren.