Diffuse Angst oder Zeichen gesetzt?
Diffuse Angst oder Zeichen gesetzt?

Solothurn und Olten haben das Minarett-Verbot abgelehnt. Ganz anders Grenchen. Hier wurde das Verbot mit 70,8 Prozent klar gutgeheissen. Wie ist das erklärbar?

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Maienstrasse

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Solothurner Zeitung

Urs Byland

Grenchnerinnen und Grenchner haben mit einem deutlichen Ja das Minarett-Verbot angenommen. In Solothurn und Olten obsiegten die Gegner eines Verbots. Stören sich die Ambassadoren und die Dreitannenstädter weniger an einem Minarett? Sind sie toleranter - oder naiver, wie SVP-Exponenten vermuten dürften?

Hört man sich in Grenchen um, dominiert ein Thema die Voten. Mehr oder weniger konkret wird das Resultat mit der Angst vor muslimischen Mitbürgern begründet. «Ich spüre eine diffuse Angst vor einer Art Überfremdung», sagt beispielsweise Stadtpräsident Boris Banga. Dieselbe Meinung vertritt Bea Corti, Präsidentin CVP Grenchen. Und Walter Sahli, Präsident des lokalen Industrie- und Handelsverbandes, rät, den Anteil der ausländischen Bevölkerung in den Städten zu vergleichen. «Dann wissen Sie, weshalb in Olten und Solothurn das Verbot abgelehnt wurde.»

Auch SP-Präsident Thomas Furrer ist überzeugt: «Es ging nicht um den Bau von Minaretten an und für sich. Letztlich war das Thema die Zuwanderung.» In der Bevölkerung bestehe eine grosse Angst bezüglich Islam, Muslim oder Religionszugehörigkeit. Mit dem Verbot von Minaretten sage der Stimmbürger: «Stopp, das geht zu weit, das tolerieren wir nicht.»

Die Alten setzen ein Zeichen

Dennoch kann sich auch Thomas Furrer keinen Reim auf die starke Zustimmung für das Verbot an seinem Wohnort machen. «Zumal hier zwischen den Menschen ein gutes Einvernehmen herrscht. Aber im Moment ist die Stimmung sehr konservativ und bewahrend.» Von dieser Stimmung profitiert die SVP. Richard Aschberger, SVP-Präsident, gehörte am Wochenende zu den Gewinnern. Die Partei sei näher beim Volk als die anderen Parteien, teilte sie gestern mit.

Aschberger erklärt, er habe im Vorfeld an Podiumsdiskussionen ein reges Interesse der älteren Bevölkerung bemerkt. «Sie sind sehr kritisch gegenüber dem Islam eingestellt, beispielsweise zur Frage der Rolle der Frau.» Mit der Abstimmung sei ein Zeichen gesetzt worden. Es sei genug mit den Sonderrechten für Muslime, etwa in der Schule. Jetzt sei das Fass voll. «Es ging nicht um Minarette. Die Abstimmung gab stellvertretend die Möglichkeit, all diesen Gefühlen Ausdruck zu verleihen.»

Der mysteriöse Landverkauf

Zum massiven Ja-Stimmen-Anteil in Grenchen kann Aschberger nur mutmassen. «Möglich, dass die überproportional vertretenen älteren Einwohner den Ausschlag gaben, und dass der Landverkauf Ivo von Bürens zum klaren Ja beigetragen hat.» Diese Meinung vertritt auch Alexander Kohli, Präsident der FdP: «Der Grund für dieses Resultat ist die Furcht vor dem Bau einer Moschee.» Zur Erinnerung: Eine islamische Glaubensgemeinschaft kaufte dem SVP-Gemeinderat Ivo von Büren ein Stück Land bei der Howeg ab. Darauf will sie eine Moschee bauen. Von Büren betonte, er sei bei diesem Geschäft hinters Licht geführt worden.

Die Wirtschaftskrise

Alexander Kohli ist aber auch überzeugt, dass die Wirtschaftskrise das Grenchner Abstimmungsresultat förderte. «Kriselt es im eigenen Haus, werden solche Äusserungen wahrscheinlicher.» In diese Richtung denkt auch Pfarrer Donald Hasler, der im Vorfeld eine Podiumsdiskussion zur Initiative organisierte. «Der Anteil der muslimischen Bevölkerung in Grenchen ist hoch. Diese Menschen sind im Arbeitsmarkt direkte Konkurrenten der Schweizer.» Oder wie Thomas Furrer es ausdrückt: «Die Krise ist mit ein Grund für das Resultat. Die spürt man in Grenchen stärker als anderswo.»

Missstimmung gegenüber der Politik

Der Stadtpräsident betrachtet das klare Resultat generell als Ausdruck einer Missstimmung in allen Politikbereichen. «Da ging es weder gegen Links noch gegen Rechts. Andere Faktoren wie Libyen, islamistische Gewalttäter und lokale Eigenheiten haben hier den Ausschlag gegeben.» Zu den lokalen Eigenheiten zählt Banga Probleme in der Integration. Er hoffe nun auf Rat und Tat sowie finanzielle Mittel der Befürworter der Minarett-Initiative, «um diese Probleme lösen zu helfen».