Auch wenn die Initiative am Sonntag wohl abgelehnt wird: Die Tatsache, dass die Medienbranche monatelang zittern musste, ist Ausdruck ihres Glaubwürdigkeitsverlusts. Und da kommt This Bürge ins Spiel.
This Bürge ist zuversichtlich, allen offiziellen Umfragen zum Trotz: noch zweimal schlafen, bis die Stimmbevölkerung die Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren beschliesst. Es gehe ihm dabei um mehr als den Jahresbeitrag von bisher 451 und künftig 365 Franken, sagt er mit Nachdruck. «Es geht um die Überwindung des Faschismus, um Frieden auf der Welt.»
In den Augen Bürges ist die SRG ein Propagandavehikel der Nato, die weltweit illegale Kriege führe. Wie alle «Mainstream-Medien», zu denen Bürge auch diese Zeitung zählt, manipuliere sie subtil die Meinungsbildung. Zeitungen, Radio, Fernsehen: Der 60-jährige St. Galler hält sie allesamt für gleichgeschaltet.
Deshalb informiert er sich via Twitter, wo er selbst Meldungen der NachDenkSeiten oder von KenFM verbreitet – Websites, die Experten als verschwörungstheoretisch bezeichnen. «Aus solchen Etikettierungen spricht Hilflosigkeit», sagt Bürge. Auch dem vom russischen Staat finanzierten RT vertraut er mehr als den hiesigen Medien.
Soll man einem wie Bürge eine Plattform geben? Diese Zeitung hat sich lange mit dieser Frage auseinandergesetzt – und sich aus zwei Gründen für ein Ja entschieden. Zum einen war Bürge der Erste, der politisch gegen die Billag-Gebühren mobil gemacht hat. Zum anderen steht er stellvertretend für einen immer grösser werdenden Kreis von Personen, die sich von den herkömmlichen Medien abwenden. Wer This Bürge porträtiert, porträtiert keine Einzelperson, er porträtiert ein Milieu.
Doch der Reihe nach. 2011 lanciert der in der Öffentlichkeit bis dahin völlig unbekannte Bürge gemeinsam mit Familienmitgliedern eine Volksinitiative, die sich auf fünf Worte beschränkt: «Der Bund erhebt keine Empfangsgebühren.» Statt der erforderlichen 100' 000 Unterschriften kommen nur deren 6000 zusammen. Bürge aber ist sich sicher: «Wie ein kleiner Schneeball immer grösser wird, wird die zweite Initiative erfolgreicher sein als die erste.»
2013 startet er den nächsten Versuch. Nun fordert er nicht mehr bloss die Aufhebung der Gebühren, sondern zusätzlich die Auflösung der SRG. Erneut scheitert er hochkant: Dieses Mal sind bis zum Ende der anderthalbjährigen Sammelfrist gut 10'000 Unterschriften eingegangen.
Bürge aber gibt nicht auf. «Irgendwann fällt die Zwangsgebühr!», lässt er sich zitieren. Ende 2017, Anfang 2018 scheint er dem Ziel nahegekommen zu sein. Olivier Kessler, als Freiheitsfanatiker ein Bruder im Geiste, lässt mit seiner «No Billag»-Initiative Politik und Medien den Atem stocken. Wie Bürge misstraut Kessler den Medien zutiefst.
Schon 2015 schreibt er auf der Plattform Politnetz.ch, Journalisten verfolgten den Zweck, «Schweizer Stimmbürger zu manipulieren». Im zurückliegenden Abstimmungskampf lässt er mit Journalisten vereinbarte Treffen platzen, der «Basler Zeitung» untersagt das 31-jährige ehemalige SVP-Mitglied vor zwei Wochen gar die Publikation eines fixfertig produzierten Interviews.
Woher kommt dieses Misstrauen? Wie bei vielen, die gegen «Mainstream-Medien» wettern, steht auch bei Bürge der 2014 ausgebrochene Ukraine-Konflikt am Anfang der endgültigen Entfremdung. Westliche Medien hätten einseitig aus der Perspektive der Nato berichtet, kritisiert Bürge, dessen Schwägerin Ukrainerin ist und der sich auch deshalb als Insider fühlt. «Sie betrieben Propaganda für die Nato und schürten Hass gegen Russland, statt sich für Frieden einzusetzen.»
Zwar relativierte die im vergangenen Herbst von der Medienforschungs- und Beratungsfirma Publicom publizierte Mediabrands-Studie den Glaubwürdigkeitsverlust der Schweizer Medien. Insgesamt erweise sich das Vertrauen des Publikums in die von ihm genutzten Medienmarken trotz öffentlichen Diskussionen um «Fake News» und «Lügenpresse» als erstaunlich stabil, lautete das Fazit nach über 5000 Interviews.
Dennoch: Der von den Medien enttäuschte Bürge ist kein Einzelfall – dies zeigt ein Blick in die Online-Kommentarspalten. Und dies wird auch die voraussichtlich hohe Anzahl Ja-Stimmen zu «No Billag» in Erinnerung rufen. Auch wenn es nicht zur Annahme der Initiative reichen dürfte.