Fifa-Skandal
Die Zweifel an der Person Sepp Blatter waren noch nie so gross

Nach der Suspendierung von Fifa-Generalsekretär Jerôme Valcke zieht sich die Schlinge für Fifa-Boss Sepp Blatter weiter zu. Die zentrale Frage lautet: Ist auch Blatter in den Skandal involviert?

Etienne Wuillemin
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Das war einmal: Fifa-Chef Sepp Blatter und der nun ehemalige Fifa-Generalsekretär Jérôme Valcke.

Das war einmal: Fifa-Chef Sepp Blatter und der nun ehemalige Fifa-Generalsekretär Jérôme Valcke.

Patrick B. Kraemer/Keystone

Es ist der Tag nach dem vorläufigen Ende des Fifa-Generalsekretärs Jérôme Valcke. Ein Tag, an dem die Fifa in aller Härte durchgeschüttelt wird. Wieder einmal. Ein Tag, an dem sich die Fifa händeringend gegen allerlei Vorwürfe wehrt. Wieder einmal. Schmiergeldzahlungen? «Ungeheuerlich!», tönt es dann. Von der Fifa. Von Anwälten.

Aber die Fifa wäre nicht die Fifa, wenn es nicht auch an einem solchen Tag etwas zu feiern gäbe. Dafür genügt ein Blick auf die Website des mächtigen Fussballverbands. «Noch 1000 Tage bis zur WM in Russland!», jubelt die Fifa.

1000 Tage. Und eine Nacht des Grauens. Willkommen in der Märchen-Welt der Fussball-Beamten!

Es ist der nächste Akt in diesem endlos scheinenden Theater rund um die Fifa. Die Frage ist bloss: Ist der Höhepunkt des Schmierenstücks erreicht? Oder geht es immer weiter, weiter, weiter?

Diesmal befindet sich Jérôme Valcke im Fadenkreuz des Verdachts. Valcke, Franzose, 54-jährig, ist Generalsekretär bei der Fifa. Das bedeutet: die rechte Hand von (Noch-)Präsident Sepp Blatter. Die Nummer zwei der Mächtigen.

Zwei Millionen für Valcke?

Der Vorwurf einer Schweizer Sportmarketingagentur ist brisant: Valcke soll geplant haben, sich an Ticketverkäufen für die WM 2014 in Brasilien persönlich zu bereichern. Es geht um eine Summe von über zwei Millionen Dollar. Die Fifa reagierte umgehend und suspendierte Valcke. Dieser wiederum lässt via Anwalt ausrichten: «Ungeheuerliche Vorwürfe! Alles frei erfunden!» Wer lügt? Es muss, Stand heute, offenbleiben.

Zur Erinnerung: Die letzten Vorwürfe gegen Valcke sind nicht lange her. Er soll 2008 in Zusammenhang mit der WM-Vergabe im Auftrag von Südafrika eine Zahlung über zehn Millionen Dollar in Richtung Nord- und Mittelamerika sowie der Karibik veranlasst haben – Stimmenkauf, sagen die einen, Entwicklungsgelder, die anderen. Und dies dementierte Valcke heftig.

Valcke ist der Mann, der Blatter immer wieder den Rücken freihielt. Der immer wieder dann auftrat, wenn es Dinge zu bereinigen gab. Oder wenn es darum ging, zu vermitteln. Als Troubleshooter rund um die WM in Brasilien. Einmal, als die Brasilianer wieder von baulichen Verzögerungen berichten mussten, sagte Valcke: «Ich denke, Brasilien braucht einen Tritt in den Allerwertesten.» Auch die Weltmeisterschaften in Russland 2018 und Katar 2022 waren bei Valcke Thema. Es existiert von ihm der fragwürdige Satz: «Manchmal ist ein bisschen weniger Demokratie förderlich, wenn man eine WM organisieren will.»

Zwei Millionen für Blatter?

Das sagt der Korruptions-Experte Mark Pieth:

«Die Suspension von Jérôme Valcke ist ein weiterer Schritt in Richtung «Ende einer Ära». Als Sepp Blatter Anfang Juni seinen Rücktritt als Präsident verkündete, hielt ich das für eine grosse Chance für die Fifa. Allerdings hätte er sofort gehen müssen. Nicht erst Anfang 2016. Sein Festhalten am Amt führt dazu, dass immer wieder neue Skandale ausgegraben werden, ob zu Recht oder zu Unrecht. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Die letzten Tage haben gezeigt: Die Fifa kommt nicht zur Ruhe. Und daran wird sich so schnell auch nichts ändern.»

* Mark Pieth ist international anerkannter Korruptionsexperte. Zwischen 2011 und 2013 führte er eine Reform-Kommission der Fifa an.

Und nun? Klar ist: Noch nie hat der Fifa-Skandal so weit in den innersten Zirkel hineingereicht wie jetzt. Das sind für Sepp Blatter keine guten Nachrichten. Die Schlinge um seinen Hals zieht sich immer weiter zu.

Auch Blatter selbst sieht sich immer wieder mit Vorwürfen konfrontiert. Der jüngste: Er soll ein kleines Trinkgeld von zwei Millionen Euro erhalten haben, als die Fifa die Hospitality-Rechte der WM 2006 in Deutschland verkaufte. «Falsch, boshaft, verleumderisch!», entgegnet die Fifa.

Eines hat bis zum Freitag immer gegolten. Sepp Blatter agiert in Zeiten des Korruptions-Sturms um einiges cleverer als seine Fifa-Wegbegleiter. Gilt das immer noch? Oder ist auch Sepp Blatter korrupt? Die Gewissheit fehlt. Weiterhin. Aber die Zweifel an seiner Person wachsen. Sie sind so gross wie nie.