Analyse
Die SVP muss sich erneuern

In seiner Analyse zu den bevorstehenden Wechseln in der Parteiführung schreibt Dennis Bühler: «Ein Fraktionschef, ein Strategiechef und ein Bundesrat ohne Perspektiven, dazu ein nicht unumstrittener Präsident: Die SVP muss sich in den nächsten zwei, drei Jahren neu erfinden.»

Dennis Bühler
Dennis Bühler
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Adrian Amstutz, SVP-Fraktionschef.

Adrian Amstutz, SVP-Fraktionschef.

KEYSTONE

Mit seinen Tiraden am Rednerpult des Nationalratssaales schafft es Adrian Amstutz regelmässig in die «Tagesschau» und sorgt so für wertvolle Publicity. Noch wichtiger aber: Der 63-Jährige führt seine Fraktion mit eiserner Hand und hält so seine Parlamentarier auf Linie.

Wenn es nötig ist – wie bei der AHV-Schlussabstimmung im vergangenen März –, erteilt er renitenten Nationalräten auch mal einen «Einzelabrieb». Dank Amstutz stimmt die SVP-Fraktion in aller Regel geschlossen, dank ihm kann sie mit der vollen Kraft ihrer 68 National- und 6 Ständeräte wirken.

Nun rückt der Rücktritt des Einpeitschers näher. Die Statuten seiner Berner Kantonalpartei sehen vor, dass Grossräte und nationale Parlamentarier «höchstens dreimal wiedergewählt werden» können.

2019 darf Amstutz deshalb nicht wieder antreten. Da spielt es keine Rolle, dass er seit seiner Wahl vor 14 Jahren stets mit dem besten Resultat aller Berner Kandidaten im Amt bestätigt wurde. Für den Getreuen von Christoph Blocher, der im Nationalratssaal neben ihm sass, ist bald Schluss.

Parteifreunde hoffen, dass Adrian Amstutz bleibt, er schliesst es aus

Zwar hoffen einige in seiner Fraktion auf eine «Lex Amstutz», sprich eine Ausnahmeregelung seiner Kantonalpartei. So sagt der Zürcher Nationalrat Gregor Rutz: «Wir brauchen Amstutz. Die Berner werden eine Lösung finden.»

Amstutz selbst jedoch schliesst dies kategorisch aus. «Das Reglement gilt auch für mich», sagt er. Seine Lebensplanung sehe ohnehin anderes vor: «Ab Herbst 2019 möchte ich Zeit haben, um Gleitschirm zu fliegen, Motorrad zu fahren und mich um meine Enkel zu kümmern.»

An Brisanz gewinnt der baldige Abgang Amstutz’ durch weitere bereits vollzogene und bevorstehende Wechsel. So ist Parteichef Albert Rösti erst seit anderthalb Jahren im Amt und agiert glücklos: Seit seinem Antritt verlor die erfolgsverwöhnte SVP ihre beiden Referenden gegen die Asylreform und die erleichterte Einbürgerung sowie die Abstimmungen über die Milchkuh-Initiative, die Unternehmenssteuerreform III und das Energiegesetz. Und auf kantonaler Ebene Wahl um Wahl. Dem «netten Herrn Rösti» – der Präsident empfindet das Adjektiv längst als Beleidigung – fehlt der Kampfgeist seines Vorgängers Toni Brunner.

Auch strategisch muss sich die SVP bald neu ausrichten: Im Oktober 2020 wird Christoph Blocher 80-jährig. Schon heute fällt er gelegentlich aus gesundheitlichen Gründen aus und nimmt längst nicht mehr an jeder Sitzung teil. Gut möglich, dass sich der SVP-Strategiechef in den nächsten ein, zwei Jahren endgültig ins zweite Glied zurückziehen wird. Neu zu besetzen hat die Partei wohl zum Ende dieser Legislatur auch einen Bundesratssitz.

Eigentlich hatte Ueli Maurer seinen Rücktritt schon 2015 ins Auge gefasst, wie die «Nordwestschweiz» Mitte August publik machte. Bei einer Klassenzusammenkunft hatte er gegenüber seinen alten Schulkollegen verkündet, noch ein, zwei Jahre im Verteidigungsdepartement bleiben und danach seine Rente geniessen zu wollen.

Es kam anders: Auf Geheiss der Partei wechselte Maurer ins Finanzdepartement. «Vielleicht kann er schlechter loslassen, als er selbst gedacht hatte», sagte ein ehemaliger Klassenkamerad. Die Wahrheit dürfte profaner sein: Maurer stellt sich seit Jahrzehnten in den Dienst der SVP. Und wenn diese will, dass er weitermacht, dann tut er es auch.

Köppel, Aeschi, Spuhler, Rutz, Brunner und Martullo

Ein Fraktionschef, ein Strategiechef und ein Bundesrat ohne Perspektiven, dazu ein nicht unumstrittener Präsident: Die SVP muss sich in den nächsten zwei, drei Jahren neu erfinden. Allerdings: Sollten politische Gegner hoffen, dies werde für die Partei zur unlösbaren Aufgabe, dürften sie sich täuschen. Aus Parteikreisen heisst es, der bisherige stellvertretende Fraktionschef und Zuger Nationalrat Thomas Aeschi, dessen Bundesratskandidatur Blocher 2015 favorisierte, könnte Amstutz’ Aufgabe bereits gegen Ende des kommenden Jahres übernehmen.

Als Strategiechef steht Roger Köppel in den Startlöchern, Zürcher Nationalrat, «Weltwoche»-Verleger und Darling Blochers. Für den Bundesrat kommen vorab vier Politiker infrage: Der Thurgauer Ex-Nationalrat und Unternehmer Peter Spuhler sowie Rutz, der wie Blocher und Maurer aus der einflussreichen Zürcher Kantonalsektion stammt. Doch auch Ex-Parteichef Brunner und die Bündner Nationalrätin Magdalena Martullo werden heiss gehandelt. Mit anderen Worten: Sein Erbe ist so oder so gesichert.

dennis.buehler@azmedien.ch