Nach zweieinhalb Jahren Verhandlungen im Steuerstreit kommt es zur Einigung zwischen der Schweiz und Italien. Die Schweiz begräbt das Bankgeheimnis und Italien füllt seine Staatskassen dank Selbstanzeigen.
Steuerpflichtige Italiener mit einem Konto in der Schweiz können seit diesem Monat am Selbstanzeigeprogramm teilnehmen, ohne höhere Bussen bezahlen zu müssen. Da die Schweiz in Italien auf schwarzen Listen steht, drohten italienischen Steuersündern hierzulande bis anhin höhere Geldstrafen als in Ländern, die nicht auf solchen Listen stehen. Damit wird das Risiko vermindert, dass Gelder in andere Steuerparadiese verschoben werden.
Im Zuge des Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) wurde eine Roadmap erarbeitet, die Eckpunkte der politischen Verpflichtung der beiden Länder im Steuer- und Finanzbereich auflistet. Die geänderten Protokolle sollen bis zum 2. März 2015 unterzeichnet werden.
Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf verhandelte wegen zahlreicher Regierungswechsel in Rom insgesamt mit vier unterschiedlichen italienischen Finanzministern. Es ist aber noch nicht aller Tage Abend. Von der schwarzen Liste soll die Schweiz erst gestrichen werden, wenn das Abkommen in Kraft tritt. Damit ist gemäss dem Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD) in ein bis zwei Jahren zu rechnen.
Der Erfolg dieser Verhandlungen hat zwei Gründe. Zum einen hat die Ankündigung der Schweiz, bis 2018 den automatischen Informationsaustausch (AIA) nach OECD-Standard einzuführen, den Weg zum Steuerfrieden geebnet. Zum anderen hat Italien mit der Einführung des Selbstanzeigeprogramms die Voraussetzungen für ein Abkommen mit Bern geschaffen.
Für Italien besteht somit die Hoffnung, dank zahlreicher Selbstanzeigen die Staatskasse zu füllen. Sie rechnen mit Nach- und Strafsteuern von bis zu 6,5 Milliarden Euro der rund 120 Milliarden nicht deklarierten italienischen Gelder in der Schweiz.
Obwohl die Selbstanzeige freiwillig ist, haben italienische Besitzer unversteuerter Konten in der Schweiz ein Interesse, mitzumachen: Sie drohen aufgrund des angekündigten automatischen Informationsaustauschs zwischen den Steuerämtern Italiens und der Schweiz so oder so aufzufliegen.
Bis zum Sommer 2015 wollen die beiden Länder auch das überarbeitete Abkommen zur Grenzgängerbesteuerung unter Dach und Fach bringen. Es handelt sich hierbei um ein grosses Anliegen des Kantons Tessin. Das Abkommen sieht künftig die ordentliche Besteuerung von italienischen Grenzgängern in Italien und eine beschränkte Besteuerung in der Schweiz vor. Bis anhin war das Arbeiten in der Schweiz wegen der tieferen Steuerbelastung sehr attraktiv. Dies belegt die Zunahme der Grenzgänger im Kanton Tessin von 45 000 im Jahr 2004 auf aktuell rund 60 000.
Heute werden Grenzgänger vollumfänglich in der Schweiz besteuert, wobei den italienischen Wohngemeinden 38,8 Prozent der Quellensteuer zustehen. Seit Jahren fordert das Tessin eine massive Senkung des Anteils, der nach Italien abgeliefert wird. Das neue Abkommen sieht eine maximale Quellensteuer von 70 Prozent vor. Das heisst: 70 Prozent bleiben in der Schweiz, 30 fliessen nach Italien.
Zudem soll im neuen Abkommen präzise definiert werden, wer als Grenzgänger gilt. Personen die weiter als 20 Kilometer von der Grenze wohnen oder selbstständig sind, werden zu 100 Prozent am Arbeitsort besteuert. Die neue Steuerlast der Grenzgänger soll nicht unter der aktuellen liegen und anfangs auch nicht höher sein, teilte das Finanzdepartement in Bern gestern mit. Langfristig ist aber mit einer höheren Besteuerung in Italien zu rechnen, sofern sich die Zahl der Grenzgänger nicht drastisch ändert.