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Schweiz
Die SRG verstärkt ihr Web-Angebot sukzessive und produziert mittlerweile auch Inhalte exklusiv fürs Netz. Das stösst den privaten Medienunternehmen sauer auf. Die SRG rechtfertigt sich damit, dass sie gegen internationale Konzerne wie Google antrete.
Die SRG produziert nun auch Müll. Abfall fürs www. Die Serie «Güsel. Die Mülldetektive» ist ein Novum in der Schweiz – eine gebührenfinanzierte Serie hergestellt fürs Netz.
Böse Zungen behaupten: Die vom Slam-Poeten Gabriel Vetter geschriebene Comedy-Reihe sei für das SRF auch deshalb eine Neuheit, weil sie tatsächlich witzig ist. Sie handelt von drei schrulligen Werkhof-Mitarbeitern in Schaffhausen, die Müllsünder verfolgen. Lachen mögen trotzdem nicht alle – insbesondere die Verleger nicht.
Die Serie steht stellvertretend für den Ausbau der SRG im Internet.
Seit dem Juni 2013 öffnet ihr die Konzession neuen Spielraum im Web – der Bund räumt darin der SRG die Möglichkeit ein, exklusiv fürs Web zu produzieren. Seither schafft der Konzern Tatsachen. «Güsel» ist eine von insgesamt sechs Web-Serien, die 2013 in Auftrag gegeben wurde. Eine zweite Tranche ist bereits in Arbeit – derzeit werden vier weitere Web-First-Produktionen gedreht. Budget: 800 000 Franken.
Auch im Sport dehnt sich die SRG im Netz aus. Als Versuch überträgt SRF derzeit pro Woche bis zu vier Spiele der Schweizer Volleyball-Liga live und exklusiv online. Für die Internet-Produktion betreibt das SRF einen hohen Aufwand, da die Web-Live-Übertragung auch den Ansprüchen des klassischen TV genügen muss. Das kostet Geld. Um die Produktion zu finanzieren, hat SRF eine grosse Versicherungsgesellschaft als Sponsor gewonnen. Heikel, denn eigentlich ist es der SRG verboten, im Netz Werbung zu schalten. Doch für web-exklusive Live-Streams sieht die Konzession eine Ausnahmeklausel vor.
Mehr Liveübertragungen
In den SRG-Schubladen liegen Pläne, die Internet-Übertragungen im Sport weiter auszudehnen. Ein Entscheid ist gemäss SRF-Sprecherin Andrea Wenger noch nicht gefallen. Klar ist: «Diese Liveübertragungen werden sich in nächster Zeit sicher weiterentwickeln.» 2014 haben die drei SRG-TV-Sender 360 Sportsendungen exklusiv im Web übertragen.
Doch auch im klassischen Online-Nachrichtenjournalismus setzt die SRG Spitzen gegen die Verleger. So hat das Schweizer Radio und Fernsehen ein Datenjournalismus-Team aufgebaut und dafür Spezialisten aus den Verlagen abgeworben. Die Website srf.ch ist für die Verlage zu einer mächtigen Konkurrenz geworden. Die Seite verzeichnete im März 29,5 Millionen Besuche, nur die Online-Plattformen 20 Minuten (82 Millionen Besucher) und Blick verzeichnen mehr. Alleine der Abruf von Videos nahm 2014 gegenüber dem Vorjahr um 34,4 Prozent zu.
Der Web-Aktivismus der SRG sorgt in den Teppichetagen der privaten Medienkonzerne denn auch für Tobsucht-Anfälle. Für die Privaten – und für die SRG – geht es um nicht weniger als um die Zukunft. Weil im digitalen Zeitalter die Grenzen zwischen den traditionellen Medienkanälen TV, Radio und Zeitung verschwinden, sind die SRG und Verlage wie Tamedia, Ringier oder AZ Medien (Herausgeberin dieser Zeitung) plötzlich direkte Konkurrenten.
Verena Vonarburg, Direktorin Verband Schweizer Medien, sagt: «Die SRG produziert mit Gebührengeldern de facto Onlinezeitungen.» Die SRG könne ihr Angebot mit Gebührengeldern aufbauen und ohne Paywall versehen, währenddem die Privaten ihre News-Seiten mit Werbung und Abos monetarisieren müssten.
«Nach Gewohnheiten richten»
Für SRG-Generaldirektor Roger de Weck dagegen ist klar: «Im Digitalzeitalter müssen wir uns nach den Publikumsgewohnheiten richten.» Auch im Netz bleibe die SRG ihrer Kernaufgabe der Herstellung «von audio-visuellen Inhalten» treu, so de Weck im Interview mit dem Magazin der Gewerkschaft Syndicom.
Bis im Sommer 2016 lässt der Bundesrat einen Bericht über den Service public erstellen – dort wird die Präsenz der SRG im Web ein Thema. Im Oktober 2016 hat die liberale Denkfabrik Avenir Suisse ein Diskussionspapier zur Medienförderung erarbeitet – inklusive Lösungsvorschläge. Die SRG solle künftig zum reinen Zulieferer werden, der qualitativ hochstehende Inhalte produziert und den privaten Medienkonzernen zur Verfügung stellt.
Ein weitreichender Vorschlag. Doch selbst innerhalb der SRG gibt es Stimmen, die sich zumindest vorstellen können, dass sich der gebührenfinanzierte Konzern künftig im Netz auf das Bereitstellen von für die traditionellen Kanäle produzierten Sendungen konzentriert. Die offizielle Linie klingt anders: Die SRG und die Verlage stünden in einem globalen Wettbewerb mit Google, Facebook und Co, sagt SRG-Sprecher Daniel Steiner. «Neue regulatorische oder finanzielle Einschränkungen der SRG würden diese internationalen Medienanbieter – die gewaltige Mittel haben und völlig frei agieren dürfen – auf dem Schweizer Markt weiter stärken, auch zum Nachteil der Verleger.»
Wo sitzt der gemeinsame Feind?
Beim Schweizerischen Medienverband will man sich nicht wirklich auf den gemeinsamen Feind im Ausland einschwören lassen. Es sei wie im Fussball, sagt Verena Vonarburg: «Wir sagen doch auch nicht, wir spielen keine nationale Meisterschaft mehr, der FC Basel und der Rest der Schweiz sollen sich zusammenschliessen, weil es stärkere Gegner wie Bayern München und Barcelona gibt.» Tatsächlich verbindet die SRG und den FC Basel einiges. Beides sind national führende Vereine mit vielen Zuschauern und grossem Budget. Gebühren kriegt allerdings nur einer.