Richtungsdebatte
Die SP sucht ihre eigene Mitte – und will eine «sozialliberale Plattform» gründen

Die SP-Ständeräte Daniel Jositsch und Pascale Bruderer wollen eine sozialliberale Plattform gründen. Damit soll der Kurs der Partei korrigiert werden, der nach links abzudriften droht, wie die «NZZ am Sonntag» gestern berichtete.

Dennis Bühler
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SP-Ständerat Daniel Jositsch (links) will gemeinsam mit Parteikollegin Pascale Bruderer eine sozialliberale Plattform gründen. (Archivbild)

SP-Ständerat Daniel Jositsch (links) will gemeinsam mit Parteikollegin Pascale Bruderer eine sozialliberale Plattform gründen. (Archivbild)

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Bis zur gestrigen Zeitungslektüre habe er gemeint, die Beiz «Flügelrad» seines Freundes Pedro Lenz in Olten sei vor allem für gutes Essen bekannt, sagt der Berner SP-Ständerat Hans Stöckli und schmunzelt.

Dass dort auch konspirative Treffen von Parteikollegen stattfänden, habe er nicht gewusst. Just dies aber implizierte die «NZZ am Sonntag», die über das Bestreben von Vertretern des rechten SP-Flügels schrieb, analog zur weit links stehenden «Flügelrad»-Vereinigung eine eigene Plattform aufzubauen. Mit einer solchen wollten die Ständeräte Daniel Jositsch und Pascale Bruderer den Kurs ihrer Partei korrigieren, der nach links abzudriften drohe, so das Sonntagsblatt.

Während der Zürcher gestern Anfragen unbeantwortet liess, bemüht sich die Aargauerin, die Wogen zu glätten. «Die Interpretation der Zeitung zielt in die völlig falsche Richtung», sagt Bruderer. Es gehe ihr nämlich nicht um Kategorien wie falsch und richtig, sondern einzig darum, die Breite ihrer Partei aufzuzeigen und dafür zu sorgen, dass sich in der SP auch reformorientierte Kräfte vertreten fühlten. Wie weit die Pläne für eine sozialliberale Plattform gediehen sind, sagt die Ständerätin nicht.

«Die Interpretation der ‹NZZ am Sonntag› zielt in die völlig falsche Richtung.» Pascale Bruderer, Ständerätin SP/AG

«Die Interpretation der ‹NZZ am Sonntag› zielt in die völlig falsche Richtung.» Pascale Bruderer, Ständerätin SP/AG

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«Kein Spaltpilz für die Partei»

Glaubt man Ratskollege Stöckli, der ebenfalls zum pragmatischen Lager zählt, wird die Sache hochgespielt. «Um miteinander zu sprechen, brauchen wir nicht zwingend neue Strukturen.» Um seine mit Bruderer geteilte Überzeugung zu illustrieren, die SP müsse sich zur Mitte hin öffnen, unternimmt der Berner einen Exkurs ins Tierreich: «Ein Vogel hält sich nur mit zwei Flügeln in der Luft», sagt er. «Verliert er einen, kommt er ins Trudeln. Dieses Naturgesetz gilt auch für die SP.»

«Um miteinander zu sprechen, brauchen wir nicht zwingend neue Strukturen.» Hans Stöckli, Ständerat SP/BE

«Um miteinander zu sprechen, brauchen wir nicht zwingend neue Strukturen.» Hans Stöckli, Ständerat SP/BE

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Vor einer Woche hatte SP-Präsident Christian Levrat den Richtungsstreit innerhalb seiner Partei angefacht, als er kurz nach der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten längst vergessen geglaubte Rezepte präsentierte, um den weltweit zu beobachtenden Siegeszug von Rechtspopulisten zu stoppen.

«Die Antwort auf die Fremdenfeindlichkeit ist der Klassenkampf», sagte er in einem Interview. Mit einem von der Parteileitung verfassten Papier namens «Wirtschaftsdemokratie», das Anfang Dezember am Parteitag in Thun abgesegnet werden soll, werde «die viel zitierte Überwindung des Kapitalismus konkret».

Parteiinterner Protest formierte sich rasch: Bruderer liess einen Rückweisungsantrag zirkulieren, den bis gestern 53 Parteikolleginnen und -kollegen unterzeichneten – darunter mit der Zürcher Alt-Bildungsdirektorin Regine Aeppli, dem neuen Berner SP-Regierungsrat Christoph Ammann und seinem Vorgänger Andreas Rickenbacher, den Nationalräten Evi Allemann, Yvone Feri und Tim Guldimann sowie den Ständeräten Claude Janiak, Daniel Jositsch und Hans Stöckli einige SP-Aushängeschilder.

Unterschrieben habe er, weil antikapitalistische Forderungen in der aktuellen Situation nichts brächten, sagt Guldimann. «Stattdessen müssen wir die Frustration nach den jüngsten weltweiten rechtspopulistischen Erfolgen überwinden und Rezepte für Realisierbares präsentieren.» Als Rebellion gegen die Parteispitze will auch der frühere Schweizer Botschafter in Berlin die jüngsten Unmutsbekundungen nicht verstanden wissen. «Dieser Rückweisungsantrag spiegelt nur die interne Debatte wieder, er ist kein Spaltpilz für die Partei.»

«Antikapitalistische Forderungen bringen in der aktuellen Situation nichts.» Tim Guldimann, Nationalrat SP/ZG

«Antikapitalistische Forderungen bringen in der aktuellen Situation nichts.» Tim Guldimann, Nationalrat SP/ZG

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Austausch ja, Vereinigung nein

Selbst wenn tatsächlich eine Plattform für sozialliberale Positionen gegründet würde, wäre das keine Auflehnung gegen Parteichef Levrat, findet Guldimann. Das sieht auch Bruderer so: «Die SP ist eine Partei, in der vielfältige Meinungen Platz haben und im offenen Dialog ausgetauscht werden.» Die breite Verankerung sei eine ihrer Stärken.

Genauso wenig Angst, mit der Forderung nach einer Kurskorrektur zur Mitte hin zu viel Geschirr zu zerschlagen, verspürt Yvonne Feri. «Unser Ziel ist nicht die Spaltung der Partei – im Gegenteil», sagt die Nationalrätin und ehemalige Präsidentin der SP-Frauen. «Wir wollen bloss, dass in der SP auch jene gehört werden, die nicht rein ideologisch argumentieren, sondern für pragmatische Umsetzungen einstehen.»

«Unser Ziel ist nicht die Spaltung der Partei – im Gegenteil.» Yvonne Feri, Nationalrätin (SP/AG)

«Unser Ziel ist nicht die Spaltung der Partei – im Gegenteil.» Yvonne Feri, Nationalrätin (SP/AG)

Sandra Ardizzone

Wie Stöckli ist die Aargauer Regierungsratskandidatin noch nicht vom Nutzen einer neuen Plattform überzeugt: Zwar mache es Sinn, sich unter Gleichgesinnten regelmässig auszutauschen, da dies die Chancen erhöhe, den Kurs der Partei mitzugestalten, sagt Feri.

«Ob es dafür allerdings eine neue, fix installierte Vereinigung braucht, bezweifle ich.» Weil die pragmatischen Stimmen innerhalb der SP im ganzen Land verteilt seien, dürfte es nur schon schwierig werden, regelmässige Sitzungstermine zu finden, gibt sie zu bedenken.