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Schweiz
«Das schafft wohl nur die Schweiz», sagte Finanzminister Ueli Maurer zum Sofort-Hilfspaket für die Wirtschaft. Stimmt. Und doch: Das Bild der perfekt organisierten Schweiz stimmt in der Coronakrise nicht überall. Es gibt zu wenige Schutzmasken, zu wenige Medikamente und zu wenige Betten auf Intensivstationen. Das darf nicht sein.
Ein Taxifahrer sagte diese Woche am Radio, er fürchte weniger das Coronavirus als dessen wirtschaftliche Folgen. Er fahre nur noch mit Schutzbrille und Maske, seine grosse Angst aber sei: «Ende März geht mir und vielen meiner Kollegen das Geld aus, wenn der Bund nicht hilft.»
Diese Sorge plagt viele, vor allem Selbstständige und Gewerbler. Die wirtschaftliche Existenz steht auf dem Spiel. Durch das im Eiltempo geschnürte, 42 Milliarden Franken schwere Rettungspaket des Bundes ist die Zahlungsfähigkeit der meisten Betriebe vorerst gesichert. Doch es gibt Ausnahmen, eben beispielsweise die Taxifahrer. Sie haben kein Arbeitsverbot, sondern im Gegenteil eine Transportpflicht. Weil aber kaum noch jemand in ein Taxi steigt, droht den Fahrern der Ruin.
Womöglich ist diese Branche im Hilfspaket schlicht vergessen gegangen. Bereits hat das zuständige Staatssekretariat dem Taxiverband mitgeteilt, man werde das Problem «anschauen». Logisch. Hoffentlich. Denn die Worte sind gross, welche die Landesregierung bei ihren Auftritten wählt: «Wir helfen euch», versprach Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga, «wir lösen die Probleme», schwor Finanzminister Ueli Maurer, um in Mundart anzufügen: «Isch ja klar!»
Ja, die Schweiz löst die Probleme, die es nun mit Geld zu lösen gibt. «Das schafft wohl nur die Schweiz», sagte Finanzminister Ueli Maurer zur Express-Wirtschaftshilfe nicht ohne Stolz. Zu Recht. Innert 30 Minuten soll ein Klein- und Mittelbetrieb die Genehmigung für ein Kreditgesuch erhalten. Zehn Kreuzchen auf einem Formular genügen. In solchen Dingen, es ist so klischiert wie wahr, ist dieses Land wirklich einzigartig.
Das kommt nicht von ungefähr. Die Schweiz, eben noch als «over-banked» verschrien – sie habe viel zu viele Geldinstitute – verfügt über agile, digitalisierte, gut kapitalisierte Banken. Dies auch dank strenger Eigenkapitalvorschriften, welche die Politik den Banken gegen deren Willen nach der Finanzkrise auferlegt hat.
Der Bund wiederum kann es sich leisten, für gewaltige Kreditsummen zu bürgen, denn er hat in den letzten Jahren grosse Überschüsse erwirtschaftet. Ironischerweise wurde Säckelmeister Maurer dafür kritisiert – er solle das Geld ausgeben statt Schulden zu reduzieren, hiess es bis vor kurzem. «Spare in der Zeit, dann hast du in der Not», diese vermeintlich biedere Tugend, institutionell verankert in der Schuldenbremse, kommt nun in dieser nie erwarteten Krise allen zugute.
Doch nicht alle Probleme lassen sich mit Geld lösen, und nicht überall wurde so weitsichtig gehandelt wie in der Finanzpolitik. Weil die Produktion von Schutzmasken und vieler Medikamente im Inland aufgegeben wurde, sind wir nun auf Importe angewiesen, und die sind teilweise blockiert. Man wundert sich, wie es in der perfekt organisierten Eidgenossenschaft möglich ist, dass die Vorgaben für Medikamentenvorräte (drei Monate) nicht eingehalten wurden.
Man wundert sich, dass aus einer Pandemie-Übung im Jahr 2014, die dem Corona-Szenario sehr ähnlich war, auf dem Papier zwar die richtigen Schlüsse gezogen, diese aber nicht konsequent umgesetzt wurden. Und man wundert sich, dass die Schweiz weltweit zu den meistbetroffenen Staaten gehört, wenn man die Zahl der Infizierten ins Verhältnis zur Bevölkerung setzt. Klar, gerade das lässt sich mit unserem Perfektionismus relativieren: Wir testen halt besonders viel! Wirklich beruhigend ist das aber nicht.
Das alles will so gar nicht ins «Das schaffen nur wir»-Bild passen. Am allerwenigsten aber die Befürchtung renommierter Wissenschafter, dass die Zahl der Intensivstationsbetten nicht ausreichen könnte, wenn sich das Coronavirus im aktuellen Tempo weiter ausbreitet. Hoffen wir, dass sie sich irren. Denn eines ist klar: Der wahre Härtetest steht uns noch bevor.