Startseite
Schweiz
In der Sendung des Ostschweizer Fernsehens TVO «Zur Sache» erzählt die Justizministerin, wie sie mit der ausserordentlichen Lage umgeht und weshalb sie trotz geschlossener Grenzen die europäische Zusammenarbeit nicht gefährdet sieht.
Die Situation gehe ihr sehr nah, entgegnete Justizministerin Karin Keller-Sutter auf die Einstiegsfrage von Moderator Stefan Schmid, ob sie in diesen stürmischen Zeiten noch abschalten könne. «Mit Haut und Haar» erlebe sie die Krise, egal ob sie in Bern sei oder – wie an diesem Wochenende – zu Hause in der Ostschweiz. Dass ein einziges Thema wochenlang den Alltag bestimme, sei sehr aussergewöhnlich. «Ich hätte nicht gedacht, dass ich erlebe, dass wir in diesem Land die Freiheit der Bürger dermassen einschränken müssen.» Als Tochter eines Wirtepaars verstehe sie bestens, wie hart die Massnahmen für die Betriebe seien. Aber: «Sie sind richtig und notwendig zum Schutz der Bevölkerung.»
Am 16. März hat der Bundesrat die ausserordentliche Lage ausgerufen. Seither regiert er das Land, gestützt auf Artikel 7 des Epidemiegesetzes, per Notrecht. «Wichtig ist, dass alle Entscheide mit Augenmass gefällt werden», sagte Keller-Sutter. Verhältnismässigkeit sei zentral. Deshalb solle man die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger nicht weiter beschränken als nötig. «Ich will keine Ausgangssperre», präzisierte die Bundesrätin auf Nachfrage Schmids. «Wenn wir uns solidarisch an die jetzigen Massnahmen halten, wird sie auch nicht nötig sein.»
Müsste man die Wirtschaft weiter einschränken, wäre das verheerend, so Keller-Sutter. Der Kanton Tessin, für den der Bundesrat am Freitag die zusätzliche Schliessung von Betrieben nachträglich legalisierte, sei wegen seiner geografischen Einbettung in die Lombardei eine Ausnahme.
Nicht festlegen wollte sich die Justizministerin in Bezug auf eine mögliche Verlängerung der Massnahmen über den 19. April hinaus. Wenn sie etwas gelernt habe in dieser Krise, dann sei es der Umgang mit dieser «horrenden Geschwindigkeit».
«Was man heute sagt, ist morgen nicht ganz richtig und übermorgen überholt.»
Deswegen wage sie keine Prognose, ob es nötig sei, die Einschränkungen aufrechtzuerhalten. «Wir sind am Anfang eines Langstreckenfluges.» Wie lange die Reise gehe, sei ungewiss.
Sehen Sie die Sendung in voller Länger hier:
Die Schweiz hat wieder Grenzkontrollen eingeführt. Reine Symbolpolitik, um in der Krise Sicherheit zu vermitteln? Natürlich kenne ein Virus keine Grenzen, sagte die Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements. Anfänglich sei es darum gegangen zu verhindern, dass sich Leute aus Italien im Tessin behandeln liessen und somit das Gesundheitssystem überlastet würde. «Diese Gefahr war real.» Deshalb habe man die Südgrenze geschlossen, nachdem Italien die Lombardei abgeriegelt habe.
Für Grenzgänger und Schweizer Bürger seien alle Landesgrenzen nach wie vor offen. «Es ging im Weiteren darum, den touristischen Verkehr zu unterbinden.» Es gebe immer noch Leute, die einfach zum Spass in die Schweiz einreisen wollten. Gut 26'000 Personen habe man bisher zurückgewiesen.
Die europäische Zusammenarbeit sieht die Justizministerin wegen den Grenzkontrollen nicht gefährdet. «Das Schengen-Abkommen sieht die Möglichkeit vor, in Notsituationen wieder Kontrollen einzuführen.» Natürlich sei das unangenehm für die Grenzgänger. Die einzigen Orte im Land, an denen es derzeit Stau gebe, seien die Grenzen.
Ob man mit den geschlossenen Grenzen nicht Flüchtlinge bestrafe, die in der Schweiz Schutz suchen, wollte Schmid wissen. «In einer Notlage wie jetzt können Asylverfahren in sicheren Drittstaaten geführt werden», sagte Keller-Sutter. Das sei völkerrechtlich korrekt. Ausserdem kämen wegen der ausserordentlichen Situation in Europa gut halb so viele Flüchtlinge in die Schweiz wie üblich. Monatlich seien es gut 400. Das Dublin-System stehe aber ohnehin praktisch still. Allein, weil derzeit kaum Flugzeuge flögen.
Während die Welt mit dem Coronavirus beschäftigt ist, verschärft sich in Griechenland die Flüchtlingskrise. Ist die Schweiz bereit, Flüchtlinge aus griechischen Lagern aufzunehmen? Die Schweiz sei seit 2015 mit Experten in Griechenland präsent, leiste ausserdem finanzielle Unterstützung, so Keller-Sutter. «Bereits im Januar haben wir angeboten, dass die Schweiz Kinder aufnimmt, die Verwandte in der Schweiz haben.» Das Angebot stehe. Es gehe derzeit um elf Fälle. Weil es keine Transportmöglichkeit gebe, seien die Kinder aber noch nicht in der Schweiz.
Die Situation in Griechenland sei im Allgemeinen sehr schwierig.
«Man muss verhindern, dass Flüchtlingslager zu Pandemieherden werden. Das wäre verheerend. Humanitär und gesundheitspolizeilich.»
Auch in der Schweiz sei es nicht einfach, in den Asylzentren die erforderlichen Distanzregeln einzuhalten. Es gehe jetzt darum die Asylsuchenden möglichst gut zu verteilen, um mehr Platz zu schaffen. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) habe dazu stillgelegte Zentren reaktiviert. Unter den Asylsuchenden seien ausserdem sehr viele junge Leute, die kaum vom Virus bedroht seien.
In der Bundesverwaltung arbeiten mittlerweile viele Leute von zu Hause aus. Der Bundesrat treffe sich aber nach wie vor physisch zu seinen Sitzungen. «Das ist auch eine Frage der Symbolik.» Man versuche immer, die nötige Distanz einzuhalten.
Das Wochenende in der Ostschweiz wolle sie nutzen, um zwischendurch in Ruhe im Wald zu spazieren, so Keller-Sutter. Die Pandemie werde sie wohl aber auch dort nicht loslassen.