Spielfreude, Einsatz und Teamgeist: Unsere Nati kann sich den FC Nationalrat durchaus zum Vorbild nehmen.
Petrus meint es gut mit den Spielern des FC Nationalrat. Nachdem das 10-köpfige Team durch den strömenden Regen in die Umkleide der Thuner Militärkaserne sprinten musste, drückt wenige Minuten später die Sonne durch den wolkenverhangenen Himmel im Berner Oberland. Die zweitägige Monsterdebatte zum UBS-Staatsvertrag sitzt den Politikern in den Knochen. «Stundenlanges Sitzen, das tut nicht gut», sagt SVP-Nationalrat Pirmin Schwander, während er Krawatte, Hemd und Bundfaltenhose an den Garderobenhaken hängt und sich das grüne Leibchen über den Kopf streift.
Toni Bortoluzzi verteilt Dul-X
Sein Zürcher Parteikollege Toni Bortoluzzi reibt sich den Oberschenkel mit Dul-X ein. «Riechen Sie mal», sagt er und hält der erstaunten Journalistin die Hand unter die Nase. «Hilft gegen Muskelkater.» Christian Miesch (SVP, BL) steht bereits vor der Kabine: «Ist gut, nach der Debatte den Kopf auszulüften», sagt er und blickt in den Himmel. Noch nicht abschalten kann der Glarner Ständerat This Jenny, der – kaum umgezogen – bereits wieder an der Strippe hängt.
Endlich hat sich auch Captain Bortoluzzi ins FCN-Dress gezwängt und schreitet zielstrebig in Richtung Fussballplatz. «Der FC Nationalrat ist der ideale Ort, um über die Fraktionsgrenzen Kontakte zu pflegen», sagt der 63-Jährige. Bereits seit 18 Jahren ist er mit von der Partie. Seither hat sich vor allem sein Gewicht verändert, das heute stattliche 125 Kilo beträgt. Seine persönlichen Highlights: die internationalen Parlamentarierturniere. «Wie zum Beispiel vor fünf Jahren in Finnland, als es im Mai noch schneite», erinnert er sich. Geschmerzt hat hingegen die Niederlage im Februar gegen die deutschen Politiker – dabei wollte man die Deutschen in Zeiten von Steinbrück und Steuerstreit selbst einmal mit der Peitsche vor sich her treiben.
«Ohne Mampf kein Kampf»
Nicht gegen deutsche Möchtegern-Cowboys, sondern gegen die Höheren Stabsoffiziere des FC Hösta müssen die Parlamentarier an diesem gewittrigen Sommerabend antreten. Auf dem gepflegten Sportplatz mit Blick auf den Thuner Hausberg Niesen angekommen, stärken sich die Nationalräte mit Militärguetzli und Wasser. «Ohne Mampf kein Kampf», kommentiert SP-Nationalrat Eric Nussbaumer (BL). Captain Bortoluzzi steht bereits auf dem Feld und gibt auch gleich den Tarif durch. «Chömet Manne, los gahts.» Kurz darauf trifft Trainer Roger Hegi auf dem Sportplatz ein. «AC/DC hat mich aufgehalten», entschuldigt er sich.
Das Konzert der Rocker im Stade de Suisse ist aber nicht nur schuld an Hegis Verspätung, sondern auch an der dezimierten Mannschaft des FCN. «Christian Wasserfallen und Jürg Stahl haben heute die Musik dem Fussball vorgezogen», so Hegi. Dabei wäre gerade der 28-jährige FDP-Stürmer Wasserfallen eine wichtige Stütze für das Team gewesen. «Der kann halt noch so richtig seckeln», sagt Schwander, der als ehemaliger Leichtathlet den 100-Meter-Lauf dem Dauerlauf im Fussball vorzieht.
Hegi zu Lieni Füglistaller: «Versuche dich zu integrieren»
Trainer Hegi, dem man in seinem eleganten schwarzen Anzug im ersten Moment den ehemaligen Profifussballer und Ex-Trainer von GC und St. Gallen nicht ganz abkauft, begrüsst alle Spieler herzlich mit Handschlag. «Versuche dich zu integrieren», sagt er Lieni Füglistaller und legt ihm kollegial den Arm über die Schulter. Kurzes Teammeeting auf dem Platz. «Geniesst das Spiel. Und vergesst nicht: In das grosse Rechteck am anderen Spielfeldrand muss der Ball rein», witzelt Hegi. Dann begrüsst die Runde den neuen Spieler, Nationalrat Beat Jans (SP/BS), mit einem warmen Applaus. Es folgt das Einlaufen. Bei jedem Schritt saftet der Rasen unter den Schuhsohlen der Spieler. Bortoluzzi trabt auf und ab, schnauft und schnaubt schon nach wenigen Runden. This Jenny macht noch ein paar Liegestützen neben dem Spielfeld.
Anpfiff, Anspiel FCN. Jans spielt den Ball zu Nussbaumer, dieser spielt ihn Verteidiger Jenny in die Füsse: «Guet This, häsch Zit, häsch Zit», ruft Trainer Hegi von der Seitenlinie – unterdessen hat auch er den Sakko ablegt. Jenny checkt die Lage, passt auf Schwander, dieser spielt Nussbaumer an, der sich vor dem gegnerischen Tor in Position gebracht hat. Er drückt ab, der Ball rollt aufs Tor, das Wasser spritzt, der Goalie fällt und das runde Leder landet im Netz. «War das jetzt schon ein Goal», fragt Christian Miesch auf der Ersatzbank verdutzt. «Ja, klar», sagt Martin Bäumle (GLP) und jubelt, der Chauffeur des Mannschaftscars schwingt die Schweizer Fahne.
Mit voller Wucht aufs eigene Tor
Doch schon folgt der Gegenangriff des FC Hösta. Bortoluzzi, an dem keiner so einfach vorbeikommt, erobert den Ball, will ihn verteidigen, setzt zum Schuss an und ballert mit aller Wucht aufs Tor. Das Problem: es ist das eigene. Ein Raunen geht durch die Ersatzbank, doch zum Glück für den Zürcher flattert der Ball knapp an der Latte vorbei. Dann der erste Wechsel – Füglistaller raus, Bäumle rein.
Der SVP-Mann atmet schwer. «Bewegung tut gut», sagt der 58-Jährige, der wie sein Parteikollege Bortoluzzi über zu viele Kilos auf den Rippen klagt. «Deshalb sind Toni und ich auch bei jedem Spiel dabei.» Füglistaller schwärmt vom FCN: «Nicht nur das Spiel, auch das gemeinsame Duschen mit den Kollegen verbindet.» Das merke man auch bei der Arbeit im Parlament. Glücklich ist der Aargauer auch darüber, dass mit dem Neuenburger Laurent Favre (FDP) und dem Genfer Hugues Hiltpold (FDP) zwei Romands auf dem Platz stehen. «Bis vor drei Jahren waren wir nur Deutschschweizer im Team.»
«Politik gehört nicht auf den Fussballplatz»
Doch auch die Romands können nicht verhindern, dass der FC Hösta aufdreht und zur Pause 3:2 führt. In der zweiten Halbzeit dümpelt die Partie lange vor sich hin. Interessanter ist, was sich neben dem Platz abspielt. Dort nimmt der Captain der Stabsoffiziere Ersatzbänkler Miesch aufs Korn: «Was habt ihr mit der UBS gemacht? Kein schlechtes Gewissen?» Miesch kontert. «Nein, jetzt ist fertig mit dem Kniefall vor den USA, und...» «Fertig jetzt mit Politik», mahnt Trainer Hegi, «das gehört nicht auf den Fussballplatz.» Miesch murmelt etwas vor sich hin, gibt dann aber klein bei. «Jetzt bhaltet mal die Bäll», ruft Hegi, langsam ein wenig genervt.
Es steht 4:2. Spieler Favre ärgert sich: «C’est pas possible.» Dann ein Zweikampf, Schwander fasst sich an den Oberschenkel, fällt auf den Rasen. Gleich eilen die Teamkollegen zum Verletzten. «Nur ein Muskelkrampf», entwarnt dieser. Trotzdem – für ihn ist die Partie gelaufen. This Jenny (58), der mit seinem Laufeinsatz manch jüngeren Spielerkollegen alt aussehen lässt, spurtet ein letztes Mal nach vorne – vergeblich. Abpfiff. Die Bilanz: 7 Tore, davon drei für den FCN, null gelbe und rote Karten und ein Oberschenkel-Krampf. Trainer Hegi ist zufrieden. Einzige Kritikpunkte: «Wir müssen mehr Bälle behalten und in Zukunft statt im grünen im roten Dress spielen.»
Erholung bei Bier, Wein und Pasta
Frisch geduscht erholen sich Parlamentarier und Stabsoffiziere eine halbe Stunde später bei Thuner Bügu Bier, Wein und Pasta von ihren Strapazen. Natürlich ist neben dem Staatsvertrag auch die WM Thema. Bäumle erinnert sich an die Euro 08: «Beim ersten Match der Schweiz war der Nationalratssaal plötzlich leer und die Sitzung musste unterbrochen werden.» Pirmin Schwander hingegen interessiert vielmehr, wer wohl der nächste Gegner des FCN sein mag. «Der FC Bundesrat, das wäre doch was. Ein wenig Teamgeist würden denen wohl gut tun», sagt er, lacht und nimmt noch einen Schluck.