Lehrer fordern zehn Prozent mehr Gehalt – besonders in den unteren Stufen gibt es offenbar Nachholbedarf.
Firmenchefs würden ob dieser Forderung wohl kreidebleich: 10 Prozent mehr Lohn für alle Angestellten! In der Bildungspolitik werden solche Zahlen gelassener aufgenommen, lösen aber regelmässig eine Debatte aus. So wie jetzt zum Schulbeginn: Die Lehrerverbände Bern und Graubünden verlangen für ihre Primarlehrer eine massive Gehaltserhöhung. Besonders in den unteren Stufen gebe es Nachholbedarf, sagt Anna-Katharina Zenger vom Verband Bildung Bern. Sie war selbst 20 Jahre als Lehrerin tätig. «Sie müssen auf einer höheren Gehaltsklasse einsteigen», sagt sie. Das entspreche einer Lohnerhöhung um neun Prozent. Die Lehrer in Graubünden fordern sogar 10 Prozent mehr auf der Primarstufe. Ihr 72'000-Franken-Jahreslohn zählt zu den tiefsten in der Schweiz.
Mit den geplanten Sparmassnahmen im Bildungsbereich sind die Erfolgschancen allerdings klein. Ein Problem, denn der Lohn ist natürlich ein Faktor bei der Berufswahl. In mehreren Kantonen droht wegen der steigenden Schülerzahlen ein Lehrermangel. Schwierig wird es für Schulleiter, wenn der Nachbarkanton deutlich höhere Anfangsgehälter zahlt. So beginnt ein Primarlehrer in Bern mit einem Jahresgehalt von 73'600 Franken, was monatlich 5600 Franken entspricht. Die Kollegen in Solothurn verdienen jährlich 7000 Franken mehr. Nach zehn Jahren im Beruf sind es jährlich gar 20'000 Franken mehr. Graubünden kennt das Problem nicht nur bei den Lehrern, sondern schon bei den Auszubildenden.
«Den Braindrain spüren wir bei Abgängern der PH Graubünden», sagt Jöri Schwärzel vom Lehrerverband. Die pädagogische Hochschule bilde zurzeit einen beträchtlichen Teil künftiger Lehrer für andere Kantone aus. «Es ist lohnmässig massiv einfach attraktiver, in Zürich zu arbeiten», sagt er. Wer in der Deutschschweiz am meisten verdienen will, muss in den bevölkerungsreichsten Kanton. Zürich bezahlt Junglehrern 90'750 Franken im Jahr. 18'000 mehr als in Graubünden. Am wenigsten verdienen nach zehn Jahren die Aargauer.
Weil in den tieferen Stufen meistens Frauen unterrichten, kam es gar zu einer Klage einer Aargauer Primarlehrerin. Im Juli wies das Bundesgericht diese allerdings ab. Es handle sich nicht um eine geschlechtsspezifische Lohndiskriminierung, vielmehr würden im Kanton Aargau die Lehrer einfach weniger verdienen. Zurzeit erarbeitet der Aargauer Lehrerverband mit dem Kanton ein neues Lohnsystem. Dabei steht die Gehaltsentwicklung im Zentrum. Der Lohn soll kontinuierlich und deutlich stärker als bisher steigen.
Im internationalen Vergleich schneidet die Schweiz aber hervorragend ab. Gemäss Organisation für internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) verdienen von den 35 Mitgliederstaaten Lehrer nur in Luxemburg mehr als hierzulande. Für den Lehrerverband zählt dieses Argument allerdings kaum. Andere Berufsgruppen mit ähnlich hohen Anforderungen würden in der Schweiz deutlich mehr verdienen.