Startseite
Schweiz
Das Geld könnte am Ende nur für den schwedischen Jet reichen: Das schreibt die renommierte britische Militärzeitschrift «Jane’s Defence Weekly» – und sieht den Gripen wieder in der Favoritenrolle.
Der geplanten Rundum-Erneuerung der Schweizer Luftverteidigung weht zurzeit ein rauer Wind entgegen. Nicht genug, dass Verteidigungsminister Guy Parmelin diese Woche mit seinem Planungsbeschluss aufgelaufen ist und der Bundesrat erst Ende Jahr über das weitere Vorgehen entscheiden will. Nun sieht auch die renommierte britische Fachzeitschrift «Jane’s Defence Weekly» die Auswahlmöglichkeiten des Schweizer Projekts Air 2030 eingeschränkt.
Das Magazin, an dem sich Militärs weltweit orientierten, beruft sich auf inoffizielle Aussagen, welche es vor drei Wochen am Rand des traditionellen Fliegerschiessens auf der Axalp erfahren haben will. Wörtlich wird ein pensionierter Nato-Nachrichtenoffizier zitiert, wonach das Budget der entscheidende Faktor sei.
Für maximal 8 Milliarden Franken müssten sowohl 30 bis 40 Kampfjets als auch ein neues Boden-Luft-Abwehrsystem beschafft werden, und die Kosten pro Flugstunde gerieten beim Betrieb stärker in den Fokus. «Dies (...) veranlasst die Luftwaffe, einen Jet mit nur einem Triebwerk zu berücksichtigen», sagt der nicht namentlich genannte Mann.
Das aber trifft nur auf zwei der fünf Kampfjet-Typen zu, welche evaluiert werden sollen. Der Eurofighter von Airbus ist mit zwei Triebwerken ausgestattet, ebenso der F/A-18 Super Hornet des US-Herstellers Boeing und der Rafale der französischen Firma Dassault. Mit nur einem einzigen Triebwerk kommen lediglich der F-35 des US-Rüstungsunternehmens Lockheed sowie der Gripen der schwedischen Firma Saab aus.
«Beschaffungspolitik im Kreuzfeuer» lautete das Thema des Forums «Chance Miliz». Hitzig zu- und herging es in der Debatte um Rüstungsexporte im Armee-Ausbildungszentrum Luzern. Immerhin hatte der Bundesrat darauf verzichtet, die Bestimmungen für Waffenexporte zu lockern und unter gewissen Bedingungen Ausfuhren in Bürgerkriegsländer zu erlauben. Die einheimische Rüstungsindustrie sei momentan in einer «sehr geschwächten Position», beklagte Ruag-CEO Urs Breitmeier.
Exporte seien wichtig, weil die Ruag nur so in die Entwicklung von Waffen- und Führungssystemen investieren könne. «Ohne Entwicklung wird die Produktion weggehen, und ohne Produktion werden wir nach und nach auch die Fähigkeit verlieren, die Armee in einer Krise so zu unterstützen, dass die Systeme eingesetzt werden können», sagt er.
«Wir laufen Gefahr, dass unsere Rüstungsindustrie marginalisiert und eines Tages eliminiert wird», sekundierte Stefan Holenstein, Präsident der Schweizerischen Offiziersgesellschaft. Für die Armee sei das «verheerend».
Er könne «dieses Gejammer» nicht mehr hören, konterte der Zürcher SP-Nationalrat Fabian Molina. Die Nato, in deren Länder Exporte mit wenigen Ausnahmen möglich seien, gebe momentan eine Billion pro Jahr für Rüstungsgüter aus. «Wenn Sie es bei einer so grossen Nachfrage nicht schaffen, Ihre Produkte zu verkaufen, sind Sie offensichtlich nicht konkurrenzfähig», warf er Breitmeier vor.
Seine Partei sei nicht grundsätzlich gegen die Armee, erklärte Molina und bezeichnete sich selber als «stolzes Mitglied der Gruppe Schweiz ohne Armee (GSoA)». Sicherheit sei wichtig, auch im Luftraum. Dazu brauche es aber nicht die vom Bundesrat beschlossenen 8 Milliarden Franken für Erneuerung der Mittel zum Schutz des Schweizer Luftraums. Leichte Kampfflugzeuge in Kombination mit einer dichten Boden-Luft-Abwehr genügten für polizeiliche Aufgaben in der Luft. Diese seien für die Hälfte des Geldes zu haben.
Damit könne man aber den Luftraum nicht schützen, hielt der Urner FDP-Ständerat Josef Dittli dagegen. «Sie gehen grobfahrlässig um mit dem Schutz unserer Bevölkerung», sagte er an die Adresse von Molina – und erinnerte daran, dass die SP in ihrem Parteiprogramm die Abschaffung der Armee als Ziel festgeschrieben habe.
Für mehr Transparenz bei Rüstungsbeschaffungen plädierte Eva Novak, Chefreporterin Bundeshaus unserer Zeitung. Die dänische Armee zum Beispiel habe eine Broschüre herausgegeben mit den Ergebnissen der Tests, damit das Volk wisse, warum man sich für den F-35 entschieden habe. In der Schweiz hingegen seien solche Angaben geheim. Ausserdem müsse die Armee besser erklären, wozu genau sie die vielen Milliarden brauche: «Ich orte da ein riesiges Kommunikationsproblem.» (ras)
Allerdings gilt der F-35 als im Betrieb teures Flugzeug. Wegen der wartungsintensiven Stealth-(Tarnkappen-)Oberfläche und der komplexen Technologie sind bei ihm die Kosten pro Flugstunde besonders hoch, und das eine Triebwerk ist derart leistungsstark, dass es viel Sprit verbraucht.
Bleibt also nur der Gripen. Bereits bei der letzten Evaluation vor sechs Jahren hatte der schwedische Jet die Nase vorn, weil er kostengünstiger war als die Konkurrenz. Unter den jetzt geltenden Voraussetzungen sei er wiederum der Favorit, analysiert «Jane’s Defence Weekly».
Zumal Saab kürzlich zusammen mit Boeing den Wettbewerb um ein neues Trainingsflugzeug für die Piloten der US Air Force gewonnen hat. Die Erfahrungen mit der Produktion dieses Trainingsflugzeugs würden Saab helfen, den Verkaufspreis des Gripen weiter zu senken, urteilt das Fachmagazin.
Es verweist auch auf die geringen Flugstundenkosten, die auch in den USA den Ausschlag gaben. Diese hängen damit zusammen, dass der Gripen die geringste Gesamtleistung und somit den geringsten Spritverbrauch aller fünf Kandidaten hat. In Luftwaffenkreisen wird denn auch befürchtet, dass die technischen Anforderungen an das neue Kampfflugzeug deswegen schon vor der Evaluation heruntergesetzt werden könnten.
Sicherheitspolitiker bezweifeln allerdings, dass der Gripen wirklich so viel billiger kommt. So verweist der grünliberale Aargauer Nationalrat Beat Flach auf eine aktuelle Marktanalyse der zuständigen Fachgruppe seiner Partei. Diese lasse nur den Schluss zu, «dass verschiedene Anbieter ein grosses Interesse haben, uns ein System anzubieten, das innerhalb des Finanzrahmens liegt».
Sollte tatsächlich nur der Gripen dazu in der Lage sein, dann wäre es «ein Affront gegenüber Parlament und Öffentlichkeit», sagt der Urner CVP-Ständerat Isidor Baumann. Und es würde die Bedenken der CVP gegenüber Parmelins Planungsbeschluss – bei dem nur über den Beschaffungsgrundsatz und nicht über Anzahl und Typ der Kampfjets entschieden werden soll – bestätigen. «Wenn wirklich nur der Gripen bezahlbar sein sollte, wäre das eine mögliche Begründung dafür, warum man die Typendiskussion nicht führen will. Weil sie nämlich überflüssig wäre.»
Der Beitrag von «Jane’s Defence Weekly» zeige, dass man die Mittel nicht unabhängig vom Typ bewilligen könne, sagt auch der St. Galler FDP-Nationalrat Walter Müller und folgert daraus: «Umso gescheiter wäre es, die Idee mit dem Planungsbeschluss aufzugeben.»
Das wiederum bringt den Schaffhauser SVP-Nationalrat Thomas Hurter in Rage: Man dürfe nicht alles zum Nennwert nehmen, was hohe Offiziere und Militärattachés auf der Axalp so zum Besten gäben. Viel mehr Sorgen bereite ihm, dass CVP und FDP den Planungsbeschluss bekämpften.
Die Luftwaffe müsse jetzt erneuert werden, sonst stehe sie 2030 an der Wand. «Wenn man jetzt wieder anfängt, neue Wege zu suchen, spielt man mit der Sicherheit», sagt Hurter und fügt bei: «Dass es gerade aus bürgerlichen Kreisen kommt, kann ich einfach nicht verstehen.»