Die «charismatische Freikirche» Harvest Network International will in Seon ein Sport- und Kongresszentrum mit Büro- und Wohnbauten erstellen. Und damit wohl zum grössten Steuerzahler der Gemeinde werden. Am öffentlichen Orientierungsabend löste das Vorhaben aber alles andere als Freude aus.
Fritz Thut
Obwohl die Ankündigung der Informationsveranstaltung äusserst dezent erfolgte, fanden sich deutlich über 200 Personen in der Turnhalle 4 in Seon ein, um sich über zwei brisante Themen informieren zu lassen.
Die Voten aus dem Plenum zeigten deutlich, dass der Bau eines Sport- und Kongresszentrums der in Winterthur ansässigen Stiftung Harvest Network International die Emotionen noch höher gehen liess, als das Thema Schulraumplanung. Dies hängt damit zusammen, dass es sich beim potenziellen Bauherrn und Investor gemäss der evangelischen Informationsstelle www.relinfo.ch um eine «charismatische Freikirche» handelt.
Bedingte Einzonung
Das nun erstmals der Öffentlichkeit vorgestellte Projekt weist für hiesige Verhältnisse gigantische Dimensionen auf. Auf einem Areal von rund 2 Hektaren im Dreick Birackerstrasse- Zelgliweg-Mühleweg in der Nähe des Hallenbades plant Harvest eine Dreifachsporthalle mit grosser Bühne, einen Annexbau mit Seminarräumen und Cafeteria, ein Bürohaus (hauptsächlich für eigene Firmen) und vier Mehrfamilienhäuser (mit ungefähr 40 Wohnungen für eigene Leute), unterlegt von Tiefgaragen.
Das Land, das den Ortsbürgern gehört, muss vor dem Bau noch in die benötigten Zonen umgeteilt werden. Ortsplaner Thomas Meier vom Büro Marti Partner hat hier im Auftrag von Harvest die entsprechenden Vorarbeiten geleistet und präsentierte nun die Umzonungspläne.
Während zwischen Werkhof und Kindergarten bereits jetzt eine Zone für öffentliche Bauten besteht, soll diese Zone nun im Bereich der geplanten Sporthalle ausgedehnt werden und der Rest - bisher ebenfalls landwirtschaftlich genutztes Kulturland - in Wohnzone umgeteilt werdnen. Laut Meier ist die mit dem neuen Baugesetz möglich bedingte Einzonung vorgesehen: Wenn die Überbauung, aus welchem Grund auch immer, innert 5 Jahren nicht realisiert werden kann, gilt automatisch wieder der ursprüngliche Zustand.
Viele Auflagen vorgesehen
Die Investoren werden zudem weiter in ein enges Konzept gezwängt, denn die Bau- und Nutzungsordnung wird mit einem speziellen Artikel ergänzt, der restriktiv vorschreibt, welche Auflagen zu erfüllen sind. Ein eng gefasstes Betriebskonzept, die Bewilligungspflicht für Grossanlässe, die ausschliessliche Zufahrt über die Birackerstrasse, die zwingende Ausrichtung eines Architekturwettbewerbs und die Einhaltung des Minergie-Standards sind die wichtigsten Punkte.
Während die Vorlage sich bereits in der kantonalen Vorprüfung befindet, soll laut Meier bald das örtliche Mitwirkungsverfahren gestartet werden, bei dem alle Interessierten ihre Anmerkungen machen können. Später folgen offizielle Auflage und Genehmigung durch Gemeindeversammlung und Regierungsrat. Eine Anpassung des kantonalen Richtplanes ist nicht nötig.
«Keine Festveranstaltungen»
Horst Winterleitner von Harvest präsentierte anschliessend das Projekt im Detail. Kernstück der ganzen Überbauung ist die grosse Dreifachsporthalle, die auf ausziehbaren Tribünen Platz für bis zu 1000 Personen bietet. Neben «nationalen und internationalen Anlässen, soll die Sporthalle auch örtlichen Vereinen für Training und Wettkampf zur Verfügung stehen.
Zudem sind Kulturanlässe, Kongresse, (Aktionärs-)Versammlungen und auch die Harvest-spezifischen «Celebrations» vorgesehen. «Was wir nicht wollen, sind reine Festveranstaltungen», so Winterleitner. Für grössere Anlässe («1000 Personen sind eine kritische Grösse») besteht ein spezielle Verkehrskonzept, etwa mit einem Shuttlebus ins Industriegebiet Birren. «Die Quartiere sollen geschont werden», so der Harvest-Mann.
«Wir wollen uns integrieren»
In Ausübung des Kultuszweckes beabsichtigt die Stiftung im In- und Ausland, die Förderung und Unterstützung von kirchlichen Gemeinden aller Denominationen, christlicher Werke sowie andere Gruppierungen in praktischen und geistlichen Entwicklungen.
In Ausübung des gemeinnützigen Zweckes beabsichtigt die Stiftung, Not leidenden und hilfsbedürftigen Menschen, im In- und Ausland, in allen Lebensbereichen praktische Hilfe anzubieten zur Verbesserung ihrer Lebensbedingungen. Zu diesem Zweck werden verschiedene Arbeitszweige geschaffen, die sich gegenseitig ergänzen (zum Beispiel praktische Hilfe und Beratung für allein erziehende Mütter und Väter, Arbeitslose, Verwahrloste, Drogenabhängige, Projekte für Jugendliche). Im weiteren soll eine Abteilung für humanitäre Hilfe im In- und Ausland entstehen. Die Stiftungsziele werden vor allem verwirklicht durch folgende Massnahmen:
Förderung und durchführen von gottesdienstlichen Angeboten; Aufbau von Angeboten in den Bereichen Schule und Diakonie; Aufbau und Unterstützung von Ausbildungsstätten und Schulen; Förderung von Wohnungsbau, sozialem Wohn-, Sport- und Gemeinschaftszentren.
Quelle: Eidgenössische Stiftungsverzeichnis
Hier gab es bereits Unterbrechungen und die kritischen Stimmen dominierten die anschliessende Diskussion. Vorbehalte gegen Freikirchen aller Art schimmerten durch und wurden verstärkt durch die stromlinienförmig geschliffenen Antworten wie etwa Kunz' «Wir missionieren nicht.» oder «Wir wollen jungen Leuten helfen, ihre Berufung zu finden» und «Wir suchen kein Geld von den Leuten.»
Klare, offene Worte vermisst
Ein Votant sprach hier von «Verschleierungstaktik» und riet: «Sie wären gut beraten gewesen, hier Klartext zu reden.» Eine Rednerin «fühlte sich an der Nase herumgeführt»: «Hier wurden lauter Märchen erzählt.»
Gemeindeammann Heinz Bürki verwahrte sich gegen letzteren Vorwurf: «Wir sind keine Märchentanten.» Man habe die Öffentlichkeit aus erster Hand informieren wollen: «Der Gemeinderat ist in dieser Sache neutral.» Er sei überzeugt, so Bürki, dass «genug Stoff vermittelt worden ist, um sich eine Meinung bilden zu können.»
Lesen Sie im nächsten Artikel unten, was der Gemeinderat zum Vorhaben sagt...