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Schweiz
Niemand kauft so viele Binder wie die Armee. Nun hat sie einen Grossauftrag vergeben – und rettet damit die in Verruf geratene Krawatte ganz im Stil des Militärs. Eine Würdigung.
Natürlich wäre es nichts als ungerecht, die Uniformen der Schweizer Armee nach modischen Kriterien zu beurteilen. Tatsächlich würde dabei wenig Nettes herauskommen. Schliesslich fallen die Uniformen in die Kategorie «Funktionskleidung». Wer Tarnanzug trägt, wirkt rasch wie ein Mischwald auf zwei Beinen. Das ist so sinnvoll wie gewollt: Der Overall mit seinen unregelmässig gekleckerten Flecken in Braun, Schwarz und Grün soll die Soldaten im Gelände unsichtbar machen.
Fachleute sprechen von Camouflage, und alle paar Jahre schafft es der «Military Look» sogar auf die Laufstege. In solchen Zeiten wird das Tarnmuster auch von Zivilisten gern getragen. Frei von jeder militärischen Überzeugung, versteht sich. Das dürfte einem Soldaten im Dienst allerdings wenig Trost bieten.
Wenn es doch etwas gibt, das einen Angehörigen der Armee adrett erscheinen lässt, dann die Ausgangsuniform 95. Der Ausgänger. Mit seinem hellgrauen Hemd, dem dunkelgrauen Jackett und der hellgrauen Hose wirkt das «Tenü A» zwar permanent wie aus der Zeit gefallen. Doch ein Accessoire macht den entscheidenden Unterschied: die Krawatte.
Stil-Experten warnen seit langem vor dem Untergang der Krawatte. Selbst bei offiziellen Anlässen erscheinen Männer heute oft mit offenem Kragen. Ohne Schlips, das ist die neue Uniformität. Nur die Armee hält eisern daran fest.
Das ist die erste gute Nachricht: Die Rüstungsbeschafferin Armasuisse vergibt einen Grossauftrag an einen Krawattenhersteller. Dass eine Behörde hinter dem Einkauf steht, merkt man an den Formulierungen. Die Binder für «militärische Bereiche» werden in «mehreren Tranchen» beschafft, steht in den Unterlagen zu der Causa. Rund 30 000 Stück will die Armee jährlich bestellen. Damit dürfte sie die wichtigste Abnehmerin von Krawatten im Land sein.
Der Auftragnehmer muss die «technischen Spezifikationen» der Armee befolgen. Von Design ist da erst gar nicht die Rede. Armasuisse-Sprecher Kaj-Gunnar Sievert bestätigt auf Anfrage, dass die Krawatte unverändert bleibt. Das heisst: Wolle-Polyester-Gemisch, feldgrau, 140 Zentimeter lang. Beständige Werte.
Die zweite gute Nachricht: Die Krawatten werden weiterhin bei einem Schweizer Lieferanten bezogen. Der Zuschlag geht an die Bachmann Krawatten AG in Zürich. Das Unternehmen deckt schon bisher einen Teil des Bedarfs der Armee, in einer öffentlichen Ausschreibung hat es sich jetzt gegen zwei weitere Anbieter durchgesetzt.
Der Bund muss einen Auftrag öffentlich ausschreiben, sobald die Beschaffung von Waren den Wert von 230 000 Franken überschreitet. Gemäss WTO-Regeln kann auch ein ausländischer Anbieter zum Zug kommen. Werden die Krawatten der Armee am Ende also gar im Ausland hergestellt? Die Produktionsstätten seien ihr bekannt, heisst es bei der Armasuisse dazu. «Wir dürfen sie aber aus Gründen der Geschäftsvertraulichkeit nicht mitteilen.»
Unklar bleibt zudem, wie viel die Armee für die Krawatten hinblättert. Grundsätzlich muss ein Auftragsvolumen zur Wahrung der Transparenz öffentlich publiziert werden. Im vorliegenden Fall stützt sich die Armasuisse jedoch auf eine gesetzliche Ausnahmeklausel. Preise würden nicht bekannt gegeben – mit Rücksicht auf «berechtigte wirtschaftliche Interessen der Anbieter».
Die Armee entpuppt sich also nicht nur als Retterin der Krawatte. Weil vieles rund um die Beschaffung unter Verschluss bleibt, erhält dieses Stück Stoff erst recht jenen Stellenwert, den es verdient hat. Die geheimnisvolle Aura steht der Krawatte gut.