Den deutschen Grünen schweben CO2-Rückzahlungen via Krankenkasse vor, um den Klimazielen einen Schritt näher zu kommen und gleichzeitig eine Umverteilung zu erreichen. In der Schweiz ist dies unterdessen schon umstritten.
Es ist eine Idee, bei der manche Schweizerinnen und Schweizer aufhorchen dürften: ein Rückerstattungssystem für Umweltabgaben. Ein eigentliches Energiegeld, das wieder an die Bevölkerung fliesst – und zwar über die Krankenkassen.
Das kennen wir doch? Und ob. Seit gut zwei Jahrzehnten gibt es hierzulande Umweltabgaben, die keine Einnahmequelle des Staates sind, sondern ans Volk verteilt werden. Ganz im Sinne einer Lenkung eben. Dass der Ansatz nun neuen Aufschwung bekommt, liegt an Deutschlands grüner Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock: Sie will klimaschädliches Verhalten stärker belasten. Tanken etwa soll ebenso verteuert werden wie Heizen.
Die höheren Kosten sollen für Menschen, die klimafreundlich leben, mit einem sogenannten «Öko-Bürgergeld» abgefedert werden. Davon profitieren würden namentlich Haushalte mit geringem Einkommen. Wer «in einem sehr, sehr grossen Haus wohnt und sehr, sehr viele Autos fährt», so formulierte es Baerbock selbst, müsse am Ende mehr bezahlen.
Weil die wohlhabendsten zehn Prozent der deutschen Bevölkerung in etwa einen so hohen CO2-Ausstoss verursachen wie die ganze untere Hälfte der Bevölkerung zusammen, handelt es sich um eine klassische Umverteilung von oben nach unten. Konkret soll jede und jeder 75 Euro pro Jahr bekommen, so der Vorschlag der Grünen.
Anleihen nimmt Baerbock tatsächlich vom kleinen Nachbarland – auch beim Meccano: Wie genau sollen die CO2-Einnahmen an die Bürgerinnen und Bürger zurückgegeben werden? Diese Frage beschäftigte in den 2000er-Jahren, in der Ära des damaligen SP-Umweltministers Moritz Leuenberger, auch die Berner Politik.
Geprüft wurden mehrere Möglichkeiten. Bei klassischen Überweisungen wäre ein beträchtlicher Teil für Spesen draufgegangen. Nicht in Frage kam auch ein Steuernachlass, weil nicht alle Steuern bezahlen müssen. Deshalb entschied sich der Bund für einen unkonventionellen Weg – um es gleich in den Worten von Annalena Baerbock auszudrücken: «In der Schweiz wird das Geld über die Krankenkasse ausgezahlt.» So erklärte es die Kanzlerkandidatin in einem Interview mit der Zeitung «Der Standard». Die Grundversicherung ist für alle obligatorisch, folglich verfügen die Versicherer über vollständige Register.
Hierzulande freilich ist die Politik schon einen Schritt weiter – zumindest was die Umsetzungsfragen angeht. Vor der Abstimmung über das CO2-Gesetz kündigte Umweltministerin Simonetta Sommaruga an, sie wolle das System mit Blick auf die höheren Rückzahlungen reformieren. Denn der «Klimabonus» sei heute zu wenig sichtbar, sagte die Bundesrätin der «Sonntagszeitung»:
«Ideal wäre, wenn die Bevölkerung das Geld direkt ausbezahlt erhalten würde. Oder alle erhalten einen Check.»
Dann jedoch kam der Rückschlag. Das neue CO2-Gesetz, das mit finanziellen Anreizen ein klimafreundliches Verhalten hätte fördern sollen, scheiterte an der Urne. Am 13. Juni wurde es mit 51,6 Prozent abgelehnt. Die Preissensitivität spielte dabei eine grosse Rolle, das zeigte die Vox-Analyse zur Abstimmung des Instituts GFS Bern.
Einen konkreten Erklärungsansatz lieferte die Berner Politologin Isabelle Stadelmann. Die Rückzahlung der Abgaben sei inhaltlich nicht angekommen, meinte sie nach der Abstimmung in der WOZ. So zeigten zahlreiche Studien: «Die allermeisten Leute verstehen nicht, wie Lenkungsabgaben funktionieren.»
Simonetta Sommaruga wurde wohl also zu Recht nicht ganz warm damit – und Annalena Baerbock sollte sich ein Rückzahlungssystem via Krankenkasse nochmals gut überlegen.