Bundesratswahlen
Der Verschmähte Hansjörg Walter wird zum SVP-Joker

Nach Bruno Zuppiger steigt Nationalrat Hansjörg Walter für die SVP ins Rennen. Vor drei Jahren, vor der Ersatzwahl für Samuel Schmid, war Walter als Bundesratskandidat der SVP-Fraktion noch alles andere als genehm.

Simon Fischer
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Caspar Baader sagt Walter immer noch, was er zu tun hat: Walter darf für den Bundesrat kandidieren und vor den Medien Platz nehmen. Keystone

Caspar Baader sagt Walter immer noch, was er zu tun hat: Walter darf für den Bundesrat kandidieren und vor den Medien Platz nehmen. Keystone

Jetzt hat es der Thurgauer SVP-Nationalrat Hansjörg Walter doch noch aufs Zweierticket seiner Partei für die kommenden Bundesratswahlen geschafft – obschon er das diesmal eigentlich gar nicht wollte. Schliesslich ist der 60-jährige Präsident des Schweizerischen Bauernverbands erst am Montag mit einem Glanzresultat zum Nationalratspräsidenten gewählt worden. Diesem Amt wolle er sich im kommenden Jahr vollumfänglich widmen, und deshalb stehe er auch nicht als Bundesratskandidat zur Verfügung, hatte Walter stets betont. Bis gestern.

Doch mit dem Rückzug des über eine Erbschaftsaffäre gestolperten SVP-Wunschkandidaten Bruno Zuppiger startet Walter beim Projekt Rückeroberung des zweiten Bundesratssitzes nun plötzlich aus der parteiinternen Poleposition. Er sei sozusagen auf den Knien angefleht worden, sich für das Amt zur Verfügung zu stellen, ist aus der SVP-Fraktion zu vernehmen. Es sei eben eine ausserordentliche Situation, in der sich die Partei befinde, erklärte Fraktionschef Caspar Baader gestern Abend bei der Präsentation des neuen Kandidaten. Walter sei ein ausgewiesener Wirtschafts- und Finanzpolitiker und habe als Präsident des Bauernverbands ausserdem Führungserfahrung. Das alles habe dazu beigetragen, dass Walter von der Fraktion einstimmig nominiert worden sei, so Baader.

Noch 2008 zum Verzicht gedrängt

Das Loblied Baaders kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Walter der SVP-Fraktion noch vor drei Jahren alles andere als genehm war. Damals, vor der Ersatzwahl für Bundesrat Samuel Schmid, standen Ueli Maurer und Christoph Blocher auf dem SVP-Zweierticket. Und weil es Bestrebungen seitens der Mitte- und Linksparteien gab, Walter als Sprengkandidat ins Spiel zu bringen, wurde der Thurgauer von der Parteileitung arg unter Druck gesetzt, eine allfällige Wahl abzulehnen. Baader selber unternahm damals rund zehn Stunden vor den Wahlen einen Spaziergang mit Walter durch die schneeverwehte Berner Altstadt. Und schärfte dem potenziellen Sprengkandidaten bei dieser Gelegenheit wohl nochmals ein, dass dieser aus der Partei ausgeschlossen würde, sollte er die Wahl annehmen. Walter verstand die Botschaft – und trat am nächsten Morgen vor die Bundesversammlung, um zu erklären, dass er eine allfällige Wahl ablehnen werde. Am Ende fehlte ihm trotzdem gerade einmal eine Stimme, und er wäre gewählt gewesen.

Gestern betonte Walter noch einmal, er habe sich 2008 ganz bewusst hinter Maurer gestellt. «Heute ist die Situation aber eine andere, und das Amt hat mich immer gereizt», erklärte er. Und: «Ich habe der Fraktion klargemacht, dass ich nicht für einen Angriff auf einen FDP-Sitz zur Verfügung stehen werde.» Auch Baader betonte, die FDP anzugreifen, habe nie zur Strategie der SVP gehört. Allein diese Aussagen jedoch lassen Walters Wahlchancen bereits wieder in den Keller sinken. Denn dass eine Mehrheit des Parlaments BDP-Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf wiederwählen wird, scheint mittlerweile so gut wie sicher zu sein. Damit bliebe der SVP einzig der Versuch, der FDP einen Sitz abzuluchsen – was aber in der Partei, zumindest offiziell, niemand will.

Ein gemässigter Wunschkandidat

Für den als offen und umgänglich bekannten Walter dürfte es also auch diesmal nicht reichen beim Kampf um einen Bundesratssitz. Dabei wäre er für viele Parlamentarier ausserhalb der SVP ein eigentlicher Wunschkandidat. Walter betreibt eine gemässigte und konstruktive SVP-Politik und ist damit ein typischer Vertreter der Thurgauer Parteisektion. Er selber bezeichnete sich gestern als «umsichtig, ein wenig sensibel und sicher nicht populistisch». Gleichzeitig dürfte Walter bei welschen Parlamentariern auf wenig Zuspruch stossen, denn er spricht kein Französisch.

Allzu grosse Illusionen macht sich Walter mit Blick auf seine Kandidatur aber offenbar nicht. Im Falle einer Nichtwahl werde er «ohne Groll und ohne Enttäuschung» sein Präsidialjahr im Nationalrat bestreiten, sagte er. Zumindest für die Bundesratswahlen wird er aber für einen Tag in den Ausstand treten, weil er selber Kandidat ist. Seinen Platz im Nationalratssaal wird am 14. Dezember Ständeratspräsident Hans Altherr einnehmen müssen.