Weltenbummler und SP-Nationalrat Andreas Gross verrechnete dem Bund für sein Europaratsmandat 169 000 Franken Spesen und Taggelder – viermal mehr als CIA-Jäger Dick Marty. Der Linkspolitiker ist der teuerste Parlamentarier der Schweiz.
Nadja Pastega
Die Zahlen sind geheim. Wie viel Reisespesen die Parlamentarier garnieren, wird unter dem Deckel gehalten. Das Büro des Nationalrats, das den Finanzverschleiss des Parlaments kontrollieren sollte, weigert sich, die Zahlen offenzulegen. «Diese Informationen unterliegen dem Datenschutz», sagt Parlamentssprecher Marc Stucki. Nach Informationen des «Sonntags» gibt es auf der Vielfliegerliste einen klaren Spitzenreiter: Der Zürcher SP-Nationalrat Andreas Gross rechnete im grossen Stil ab.
Neben den ordentlichen Einkünften von rund 100 000 Franken bezog er 2008 als Mitglied der Schweizer Europarats-Delegation vom Bund weitere 169 000 Franken für Flug- und Bahnreisen, Taggelder, Hotels, Mahlzeiten, Taxis und andere Auslagen - Zusatzeinkünfte von 460 Franken pro Tag. Globetrotter Gross verursachte 40 Prozent der gesamten Kosten für die zwölfköpfige Schweizer Europarats-Delegation. Diese betrugen total 430 000 Franken.
Auf Spesenritter und Meilenjäger Gross folgt der Tessiner FDP-Ständerat Dick Marty - mit vergleichsweise bescheidenen 38 000 Franken. Der damalige Sonderermittler des Europarats, der die illegalen Machenschaften der CIA in Europa untersuchte, kostete die Schweizer Steuerzahler viermal weniger als Gross. Auf den Rängen drei, vier und fünf folgen die Europarats-Mitglieder Doris Fiala (FDP/ZH), Maximilian Reimann (SVP/AG) und Felix Müri (SVP/LU). Sie bezogen rund 30 000 Franken. Das entspricht der durchschnittlichen Entschädigung bei Erfüllung der Pflichtpensen mit vier einwöchigen Sessionen in Strassburg und Kommissionssitzungen, die in der Regel in Paris stattfinden.
Die Zahlenverhältnisse zeigen das Geschick des Linkspolitikers Gross. Als Fraktionspräsident im Europarat schanzt er sich regelmässig Referate. Wahlbeobachtungen und Auftritte rund um den Erdball zu. Die Exkursionen bewilligt der Europarat - zahlen muss die Schweiz. Eine viertägige Sitzung in Moskau kostet zum Beispiel zwischen 4000 und 5000 Franken. Komfortabel: Ab einer Reisezeit von drei Stunden dürfen die Euro-Parlamentarier in der Business-Klasse fliegen. Und so greift Gross zu.
2008 jettete der reisewütige Politiker als Wahlbeobachter nach Georgien, Russland, Mazedonien und zweimal nach Serbien. Von sechs Wahlbeobachtungen mit Schweizer Beteiligung sicherte sich Gross fünfmal einen Platz. Gross selber - «ich bin gerade auf dem Sprung zu einer Wahlbeobachtung in der Ukraine» - verteidigt seine horrenden Bezüge auf Anfrage mit seinem Mandat als Fraktionspräsident, womit automatisch mehr Verpflichtungen verbunden seien. «Im Übrigen bin ich 2008 und 2009 als eines der fleissigsten Europarats-Mitglieder ausgezeichnet worden», sagt Gross. Ferner seien bei den Bezügen von Dick Marty «die Taggelder und Tagesspesen nicht enthalten», da diese aus einer anderen Kasse stammten.
Fakt aber ist: Auch bei Marty sind diese Posten eingerechnet. «Alle Vergütungen der Europarats-Mitglieder werden über den Bund abgerechnet, das heisst auch bei Marty sind die Taggelder berücksichtigt», sagt Maximilian Reimann, 2008/09 Präsident der Schweizer Europarats-Delegation. Die Bezüge will Reimann nicht weiter kommentieren und keine Zahlen bekannt geben. «Leider darf ich keine Auskunft geben. Die Zahlen liegen mir im Detail vor und ich wollte sie in der Delegation besprechen lassen. Der Rechtsdienst des Parlaments hat mir das aber auf Anfrage hin verboten», sagt Reimann: «Dabei haben wir doch das Öffentlichkeitsprinzip.»
Wegen der Spesenreiterei gebe es Handlungsbedarf, so Reimann weiter. Er kritisiere Gross nicht wegen seiner Reisetätigkeit, sondern dass diese zulasten der Schweizer Steuerzahler gehe. «Entweder zahlt der Europarat die Reisen der Parlamentarier, oder man führt bei den Auslagen und Bezügen pro Person eine Obergrenze ein.» Bei Europarats-Parlamentariern sei eine Limite von 40 000 Franken pro Jahr angebracht. Was darüber liege, müsse künftig einer parlamentarischen Bewilligungspflicht unterliegen, verlangt Reimann. Einen entsprechenden Vorstoss hat der Solothurner SVP-Nationalrat Walter Wobmann eingereicht - er wurde in der Staatspolitischen Kommission abgeschmettert.