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Schweiz
Nora Illi, die bekannteste Nikabträgerin der Schweiz, ist im Alter von 35 Jahren an einem Krebsleiden verstorben. Die Frauenbeauftragte des Islamischen Zentralrats der Schweiz hinterlässt sechs Kinder.
Sie sagte Sätze wie: «Mein Schleier gibt mir ein Gefühl von Freiheit.» Oder: «Wir müssen den Spagat zwischen Karrierefrau und Familienfrau, dem andere Frauen ausgesetzt sind, weniger machen.» Auch die Polygamie, allerdings nur für die Männer, verteidigte Nora Illi: «Die Mehrehe ist eine Bereicherung für jede Beziehung, auch für das Sexualleben.»
Am Montag ist das Gründungsmitglied und die Frauenbeauftragte des Islamischen Zentralrats der Schweiz gestorben. Die 35-jährige Illi litt seit 2012 an Brustkrebs, wie der Zentralrat mitteilte. Sie hinterlässt sechs Kinder und Ehemann Qaasim Illi, den Mediensprecher des Zentralrats. Der Zentralrat vertritt einen salafistischen Islam mit Anziehungskraft für radikale Muslime.
Nora Illi verkehrte als Teenager in der Punkszene und konvertierte 2003 zum Islam. Mit Auftritten auch im deutschen Fernsehen, zum Beispiel in der Talksendung von Anne Will, erlangte sie über die Landesgrenzen Berühmtheit. In der Schweiz avancierte sie zur bekanntesten Nikabträgerin des Landes. Sie reiste vollverschleiert in den Kanton Tessin, um sich absichtliche eine Busse wegen des Burkaverbots einzuhandeln. Sie präsentierte sich als Frauenrechtlerin für Musliminnen, als eine Art Feministin der anderen Art, indem sie den Nikab als ein Kleidungsstück der Befreiung pries.
Für Empörung sorgte Illi auch, weil sie mehrfach Verständnis für Dschihadreisende äusserte. Sie deutete diesen Schritt als logische Folge einer angeblich grassierenden Islamfeindlichkeit: «Kein Wunder also, dass die Versuchung riesig sein muss, aus diesem Elend auszubrechen, um dann im gelobten Syrien gegen die Schergen Assads und für Gerechtigkeit zu kämpfen. Daran ist aus islamischer Sicht auch gar nichts auszusetzen.» Dies müsse man als Zivilcourage hochloben.
Saida Keller-Messahli ist Präsidentin des Forums für einen fortschrittlichen Islam und Autorin des Buches «Islamistische Drehscheibe Schweiz». Via Facebook drückte sie den sechs Kindern ihr Beileid aus. «Illi hat nur im Mikrokosmos der Zentralrat-Anhänger Einfluss ausgeübt», sagt sie. Viele säkulare Muslime habe es irritiert, dass sie als Konvertitin und Vertreterin des Salafismus den medialen Diskurs dominiert und so ein Zerrbild von muslimischen Frauen vermittelt habe. «Dass sie die Vollverschleierung als Freiheitssymbol verkauft hat, ist angesichts des Leids vieler unterdrückten Frauen in islamischen Ländern grotesk», sagt Keller-Messahli.
Der deutsche Psychologe und Bestsellerautor («Generation Allah») Ahmad Mansour kreuzte mit Illi die Klingen in einer Fernsehdebatte. Ihrer Familie spricht er sein Beileid aus. Mansour bezeichnet Illi aber als gefährliche Grösse in der salafistischen Szene mit einer gewissen Ausstrahlung nach Deutschland und Österreich. Auf die Mehrheit der muslimischen Gemeinschaft habe sie keine Vorbildfunktion gehabt. Es sei ihr aber gelungen, die öffentliche Debatte über das Burkaverbot oder die Handschlagverweigerung mit radikalen Inhalten zu dominieren.
Der Zentralrat ist zwar klein, doch man darf seine radikale Wirkung nicht unterschätzen.
Er habe die vermeintliche Opferrolle der Muslime zelebriert und ideologisch das Terrain für Dschihadreisende geebnet.