In Graubünden wird immer noch im Majorzverfahren gewählt. Kritische Stimmen mehren sich. Es ist der Inbegriff einer politisch unheiligen Allianz, die sich dieser Tage in Graubünden formiert.
Da machen an sich erbitterte Polit-Feinde wie zum Beispiel Nationalrat und Präsident der SVP Graubünden, Heinz Brand, und Grossrat und Präsident der SP Graubünden, Jon Pult, doch tatsächlich gemeinsame Sache. Möglich macht dies das in die Jahre gekommene Wahlsystem des Kantonsparlaments respektive dessen angestrebte Revision. Dem Bündner Stimmvolk schmackhaft machen will diese Revision das Komitee «ProProporz» – dem Brand und Pult angehören.
Pro und Contra
In Graubünden wird das Parlament noch im Majorzverfahren, also in Form einer Mehrheits- und nicht wie beim Proporz in Form einer Verhältniswahl ernannt. Gründe für dieses an sich veraltete System gibt es laut den Befürwortern – vornehmlich Vertreter der CVP und der FDP – einige. Das Proporzsystem würde die Peripherie schwächen, sagt zum Beispiel der ehemalige CVP-Regierungsrat Aluis Maissen, ein überzeugter Proporzgegner. Mit seiner ausserordentlichen Vielfalt und Weiträumigkeit sei Graubünden nun mal ein Sonderfall, ist sich Maissen sicher. Deshalb dürfe auch das kantonale Wahlsystem ein Sonderfall bleiben.
Das sehen die Proporz-Befürworter anders. «Ich engagiere mich für Proporz, da ich für ein zeitgemässes Wahlsystem bin», sagt SVP-Nationalrat Brand. Und zudem sei ein Wahlsystem nicht dafür da, um Sitze für die eine oder andere Partei zu sichern, wie dies das Majorzsystem tue. Und ganz grundsätzlich ginge es auch um die Fairness, sagen die «Pro-Proporzler». Denn schliesslich könne es nicht angehen, dass es in Chur etwa 2000, in einer kleineren Gemeinde wie Avers hingegen gerade mal 50 Stimmen für die Wahl in den Grossen Rat brauche.
Unklare Auswirkungen
Welche Parteien von einem neuen Wahlsystem profitieren, ist ebenso umstritten wie die Initiative selbst. Gemäss einer von der «Südostschweiz am Sonntag» erstellten Modellrechnung würden bei einer Umstellung auf Proporz vor allem die SVP, die Grünliberalen und die SP einen Nutzen ziehen können.
Im nationalen Vergleich betrachtet, wäre eine Umstellung von Majorz auf Proporz längst angesagt. Neben Graubünden wählt bloss noch Appenzell Innerrhoden sein Parlament im Majorzsystem. Ob sich das Bündner Stimmvolk davon beeindrucken lässt, ist fraglich. Es hat die Einführung von Verhältniswahlen in den letzten 75 Jahren bereits sechs Mal abgelehnt.