SVP und FDP ändern im Kampf um die Altersreform ihr Narrativ und spielen neu die Frauen-Karte.
Die Waadtländer FDP-Nationalrätin Isabelle Moret ist eine Schnellrednerin. Und trotzdem brauchte die Kommissionssprecherin am Dienstag viel Zeit, um Fragen zu beantworten. Mit viel Verve verteidigte sie das Modell des Nationalrates zur Altersreform 2020 – als sozial und frauenfreundlich. Es sieht vor, die Senkung des Umwandlungssatzes alleine in der zweiten Säule zu kompensieren. Indem mehr Altersguthaben angespart wird.
Frauenfreundlich, weil der Nationalrat den Koordinationsabzug abschaffen will. Davon würden Leute mit tiefen Löhnen und Teilzeitangestellte profitieren – also vor allem Frauen. Mit der Abschaffung des Koordinationsabzuges würde der ganze Lohn versichert, was zu einer höheren Rente aus der Pensionskasse führt. Frauenfreundlich auch deshalb, weil der Nationalrat 300 Millionen Franken in Frühpensionierungen von Erwerbstätigen mit tiefen Einkommen stecken will – wiederum vor allem Frauen.
Frauen, Frauen, Frauen: Die im Nationalrat dominierende Allianz aus SVP, FDP und GLP setzte argumentativ fast alles auf diese Karte. Ihre Exponenten sprachen von einem modernen Rentensystem, das auf gesellschaftliche Entwicklungen reagiert und mit der Abschaffung des Koordinationsabzuges ein linkes Postulat aufnimmt. Auf der Gegenseite sorgten sich SP und CVP darum, dass das nationalrätliche Modell die Lohnkosten für die KMU erhöht. Von einem «Jobkiller» war die Rede – es war eine verkehrte Welt.
Maya Graf, grüne Baselbieter Nationalrätin und Co-Präsidentin der Frauenorganisation Alliance F, hält die Argumentation von SVP und FDP für unredlich. Diese würden sich besser für die Lohngleichheit von Frau und Mann einsetzen. Graf nennt die Abschaffung des Koordinationsabzugs für junge Frauen wichtig. Doch sie sagt auch: «Über 50-jährigen Frauen ohne zweite Säule bringt das nichts.» Diese würden die Reform mit der Erhöhung des Frauenrentenalters von 64 auf 65 Jahren bezahlen – ohne Gegenleistung. Graf setzt sich deshalb für die Erhöhung der AHV-Rente um 70 Franken ein, wie es der Ständerat will. Ähnlich tönt es bei den SP-Frauen: «40 Prozent der Frauen haben keine zweite Säule, für sie ist die Erhöhung der AHV-Renten um 70 Franken pro Monat essenziell.» Die FDP schliesst aus solchen Stellungnahmen wiederum, dass die 70 Franken kein Mittel zur Erreichung eines Zieles – nämlich die Kompensation der Senkung des Umwandlungssatzes – sind, sondern ein Ziel an sich.
Ruth Humbel (CVP/AG) setzt sich für die Erhöhung der AHV-Renten ein. Sie verweist darauf, dass das Ständeratsmodell ebenfalls Verbesserungen beim Koordinationsabzug vorsieht, was Teilzeitarbeitenden nützt. Tatsächlich schlägt der Ständerat einen Koordinationsabzug von 40 Prozent vor, gleichzeitig hat die kleine Kammer aber auch Mindest- und Höchstgrenzen eingeführt. Das ist gegenüber dem Status quo zwar eine Verbesserung, doch hohe Löhne sind weiterhin über- und tiefe Löhne unterdurchschnittlich versichert. Zudem sind Familien mit einem Haupternährer in der zweiten Säule bessergestellt als Paare, die sich die Erwerbstätigkeit und Kinderbetreuung aufteilen.
Die andere Co-Präsidentin von Alliance F, Kathrin Bertschy, setzt sich deshalb für die Abschaffung des Koordinationsabzuges ein. Die grünliberale Nationalrätin fordert ein Umdenken. Es müsse selbstverständlich werden, dass tiefe Löhne gleich versichert werden wie hohe Löhne. Es könne doch nicht sein, dass Frauen im Rentenalter vom Staat abhängig sind, weil sie zu wenig Altersguthaben angespart haben. Das Argument, dass der Lohn etwas tiefer ausfällt, sei zu kurzfristig gedacht.
Um die Fronten aufzuweichen, hat Bertschy einen Kompromissvorschlag eingebracht. Der Koordinationsabzug soll 25 Prozent betragen. Diesem Antrag stimmten nebst der FDP auch vereinzelt Grüne und BDP-Nationalräte zu. In diesem Punkt scheint es Möglichkeiten für einen Kompromiss zu geben. Ansonsten zeichnet sich wenig Bewegung ab. SP und CVP wurden nicht müde, zu betonen, dass der Ständeratsvorschlag bereits der Kompromiss sei. Für FDP-Fraktionschef Ignazio Cassis eine «autoritäre und aggressive Haltung».
Wie schwierig die Situation für die FDP-SVP-GLP-Allianz ist, zeigte eine Enthaltung: Bauernverbandsdirektor und FDP-Nationalrat Jacques Bourgeois enthielt sich bei der 70-Franken-Frage der Stimme. Ein Vorzeichen darauf, wie die Bauernvertreter am Schluss den Ausschlag für die Ständeratslösung geben könnten.