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Mit einer symbolischen Aktion richten Gläubige ihre Anliegen an das Bistum Chur. Ihnen schlägt ein kühler Wind entgegen, was einmal mehr zeigt, wie schwierig und verfahren die Verhältnisse innerhalb des Bistums sind.
Seit Jahren ist das Verhältnis zwischen der Bistumsleitung in Chur und den Gläubigen von Disharmonie geprägt. Für besonders grossen Unmut gesorgt hat die Absetzung von Martin Kopp als Generalvikar der Urschweiz im vergangenen März. In unmittelbarer Folge haben einige Seelsorgende eine Petition lanciert, mittels derer sie sich mit Kopp solidarisieren. Über 3800-mal ist die Petition unterschrieben worden.
Die Kritik am Entscheid des apostolischen Administrators in Chur, Bischof Peter Bürcher, Martin Kopp abzusetzen, hat eine Vielzahl an direkten Wortmeldungen an die Adresse Bürchers provoziert. Dieser reagierte Ende März mit einer öffentlichen Mitteilung, in welcher er seinen Entscheid begründete. Er vermochte, nicht zu überzeugen: Als zu pauschal und nicht nachvollziehbar erachteten die Petitionäre Bürchers Ausführungen. Sie fühlten sich in ihren Anliegen an das Bistum ungehört, ein substanzieller und wertschätzender Dialog werde verweigert, so der Eindruck bei den Gläubigen.
Mit einer symbolhaften Aktion unter dem Motto «Vielstimmig. Kirche sein» haben sechs Theologinnen und sechs Theologen diese Woche ein Zeichen gesetzt: In mehreren Tagesetappen haben sie zu Fuss den Weg von Zürich nach Chur angetreten, um vor dem Bischofspalast zu demonstrieren und Peter Bürcher die Petition persönlich zu überreichen. Damit distanzieren sie sich von seinem Entscheid bezüglich Martin Kopp. Weitere Anliegen der Aktion sind Rede- und Meinungsfreiheit in der Kirche sowie die Hoffnung auf einen Bischof, der fähig ist, das Bistum Chur geistlich und menschlich zu leiten. «Es bleibt im Moment keine andere Möglichkeit, als über die Öffentlichkeit zu gehen, um eigene Sichtweisen und Erfahrungen einzubringen, sowie Visionen für eine lebendige Zukunft der Katholischen Kirche im Bistum Chur zu teilen», merken die Petitionäre zu ihrer Aktion an.
Das Bistum Chur, das vom Pilgermarsch Kenntnis hatte, reagierte kurz vor der Petitionsübergabe am gestrigen Donnerstag, 18. Juni, mit einer schriftlichen Mitteilung – und stiess den Petitionären vor den Kopf: Bischof Peter Bürcher werde die Petition nicht persönlich übernehmen können, hiess es darin, da er zur Zeit als Teilnehmer des Bischofsrates in Schwyz weile. Bürcher liess in der Mitteilung auf seine Stellungnahme vom März zur Causa Kopp verweisen. Was er von der Pilgermarsch-Aktion hält, war daraus unschwer zu lesen: Der Bischof hob insbesondere die eine Textpassage hervor, welche besagt, dass die Instrumentalisierung der Medien, des Staates und der öffentlichen Meinung zur Durchsetzung der eigenen Position im Bistum Chur eine unselige Tradition darstelle. Mediale Kampagnen und politische Druckmittel seien in der Kirche «etwas Ungehöriges, das spalte und verletze». Darum sei auch die Übergabe dieser Petition, so liess Bürcher ausrichten, ein politisches Druckmittel, um durch Instrumentalisierung der Medien und der öffentlichen Meinung die eigene Position durchzusetzen.
Am Donnerstagvormittag standen schliesslich mit den Petitionärinnen und Petitionären gegen 100 sich solidarisierende Personen auf dem Platz vor der Kathedrale und dem bischöflichen Palais in Chur und verliehen eine halbe Stunde lang mit Stille ihren Anliegen Ausdruck. Wie angekündigt, nahm schliesslich eine Vertretung von Bischof Bürcher – Kanzlerin Donata Bricci und Kanzleisekretär Hugo Hafner – die Petition entgegen.
Die Stimmung bei der Übergabe war sehr verhalten. «Die beiden machten einen unbeholfenen und betretenen Eindruck, als sie die Petition entgegennahmen», beschreibt Eugen Koller, Theologe aus Luzern und Mitinitiant der Petition, den Akt. Ein an die Petitionäre gerichtetes Wort blieb aus. «Das Fernbleiben des Bischofs war zwar keine Überraschung, wir haben gar damit gerechnet», so Koller weiter. «Dennoch war es ernüchternd.» Aber die Petitionärinnen und Petitionäre ziehen trotz des kühlen Empfangs – der nicht wirklich einer war – ein positives Fazit aus der Aktion. «Die Stimmung unter den Gläubigen auf dem Platz war sehr schön», so Koller. Besonders eindrücklich und ermutigend seien der anschliessende Dank, die Würdigung und der Ausdruck der Solidarität für Martin Kopp vor der Kirche St.Luzi gewesen. Kopp war vor Ort und hatte gar auf einigen Abschnitten der Wanderung persönlich teilgenommen.
Was die Petitionäre und die Gläubigen besonders stört, sind die Widersprüche, in die sich die Bistumsleitung verstrickt. Es werde von Erneuerung der Kirche und von einer offenen Kommunikation, von einander zuhören, gesprochen. Doch was in Tat und Wahrheit stattfinde, sei die Verweigerung des Dialoges, es herrsche seitens Bistum eine völlige Blutleere, was die Kommunikation betreffe.
Was erwarten die Gläubigen nun? «Was den Fall Martin Kopp betrifft, das ist wohl abgeschlossen», sagt Eugen Koller. «Aber wir sind sicher, dass es uns gelungen ist, aufzuzeigen, dass die Menschen für eine andere Kirche einstehen als diejenige, welche das Bistum Chur vorlebt.» Insofern sei die Aktion durchaus gelungen, fügt er mit Zuversicht an und sagt abschliessend: «Wir wünschen uns einen Bischof in Chur, der das Bistum lehrt, aufeinander zu hören.»