Bergsteigen
Der Gipfelsturm aufs Matterhorn wird exklusiv

Aufs Matterhorn in Zermatt kommt künftig nur, wer das nötige Kleingeld hat – und mit einem Bergführer geht. Ausserdem wird es schwieriger, einen Schlafplatz in der Hörnlihütte zu bekommen - die Plätze werden von 170 auf 140 reduziert.

Sabine Kuster
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Das Matterhorn ist kein gewöhnlicher Berg. Wegen ihm sind Hotelzimmer in Zermatt mit Ausblick teurer als andere. Der Berg ist auf Mineralwasserflaschen, Schokolade, Käse und Zigaretten abgebildet. Nicht nur in der Schweiz, sondern in der ganzen Welt. Vom Aussehen her ist kein Berg auf der Welt bekannter als das Matterhorn.

Ein Foto von Zermatt ohne seine Silhouette im Hintergrund ist undenkbar. «Es ist nicht möglich, den Wert des Matterhorns in einer Zahl zu fassen», sagt der Marketingleiter von Zermatt Tourismus, Marc Scheurer. Klar ist: Wäre es nicht da, Zermatt wäre ein Tourismusort wie jeder andere. Logisch, dass die Zermatter den Namen «Matterhorn» als Marke längst schützen liessen. Nur das Bild des Berges lässt sich nicht schützen und ist überall zu sehen.

Der Eiffelturm der Schweiz

Das bringt nur noch mehr Touristen nach Zermatt. Nicht allen genügt der blosse Anblick des Matterhorns. 2500 bis 3000 Bergsteiger bestiegen den Gipfel bisher jedes Jahr. Wäre die Seilbahn, welche ein Italiener 1950 plante, damals bewilligt worden, wären es noch viel mehr.

Der Berg ist seit bald 150 Jahren eine Touristenattraktion. Das Matterhorn ist der Eiffelturm der Schweiz.

Stau am Berg

Wie beim Eiffelturm in Paris gilt auch in Zermatt: Anschauen und fotografieren dürfen alle, wer rauf will, muss anstehen – und bezahlen. Denn jetzt wird das «Horu» noch exklusiver. Die neue Hörnlihütte hat, wenn sie 2015 eingeweiht wird, nur noch 140 statt wie bisher 170 Schlafplätze. «Verkehrsberuhigung am Matterhorn» titelte der «Walliser Bote» deswegen diesen Sommer. Kurt Lauber, Wart der Hörnlihütte und selber Bergführer, könnte seine Hütte während der zwei Hauptmonate im Sommer auch füllen, wenn er 200 Plätze hätte.

Doch er findet die Reduktion gut: «Die Bergsteiger kommen mit einem positiveren Erlebnis zurück, wenn weniger Leute am Berg sind.» Die Übernachtungspreise werden leicht erhöht. «Bauen auf dieser Höhe ist teuer: Ein Kubikmeter Bauvolumen ist hier oben doppelt so teuer als im Tal», so Lauber. Sämtliches Baumaterial muss mit dem Helikopter transportiert werden.

Campieren verboten

Künftig müssen die Bergsteiger eine Übernachtung in der Hörnlihütte also noch früher reservieren als bisher. Dafür gibt es weniger Stau direkt am Berg. Vor allem beim ersten Felsaufschwung hinter der Hütte stehen sich die Bergsteiger in der Dunkelheit jeweils auf den Füssen rum, weil morgens jeweils alle gleichzeitig losmarschieren. Dort und auch bei den anderen schwierigeren Stellen soll es künftig also weniger Stau geben.

Hörnlihütte oberhalb Zermatt
4 Bilder
Aussicht von der Terasse der Hörnlihütte
Ein Bild aus dem Archiv: Der FDP Partepräsident und SAC-Präsident Franz Steinegger, stosst mit Bundesrat Adolf Ogi am 13. Juli 1990 auf der Hörnlihütte bei Zermatt anlässlich der 125 Jahr Erstbesteigung des Matterhorns auf ihre bervorstehende Jubiläumstour an

Hörnlihütte oberhalb Zermatt

Keystone

Dieses Ziel erreichen die Zermatter aber nur, wenn das Campieren neben der Hütte verboten wird. Die Bergsteiger, welche ihre Zelte neben der Hörnlihütte aufstellen, kommen oft aus Osteuropa – eine Hüttenübernachtung ist ihnen zu teuer, einen Bergführer können sie sich schon gar nicht leisten.

Die Campierer waren den Zermatter Bergführern schon immer ein Dorn im Auge: Sie mussten sich nicht an das einzigartige Hüttenreglement halten, wonach der Hüttenwart bestimmt, wann morgens frühestens Abmarsch ist, damit das tägliche Wettrennen auf den Gipfel nicht ausartet. So können die Bergführer auch sicherstellen, dass die erfahrenen Älteren zuerst losziehen. Das sei nicht nur eine Frage des Respekts, sondern auch der Sicherheit, sagt ein Bergführer aus Fiesch, der das Matterhorn nicht jedes Jahr besteigt und schon gar nicht täglich, wie viele Zermatter Bergführer. Diese übernachten manchmal bis zu acht Tage am Stück in der Hörnlihütte. Unter dieser Massenabfertigung leiden teilweise die Gäste, manche Zermatter Bergführer gelten als arrogant und wenig tolerant, wenn einer das Tempo nicht halten kann. Aber sie kennen die Strecke in- und auswendig.

Die richtige Route behalten

Die Routenfindung ist das Schwierigste an einer Matterhornbesteigung. Auf der richtigen Route gibt es kaum lose Steine, so oft wird sie begangen. Doch leicht kommt man von ihr ab und findet sich plötzlich in Steinschlaggebiet. «Dann gefährdet man auch andere, die nachsteigen», sagt Hörnliwart Kurt Lauber. Das sei das Problem, und nicht, dass die Campierer so früh, wie sie wollen, losklettern können.

Früher hiess es, man könne mit Turnschuhen aufs Matterhorn. Dass der Berg heute wieder realistischer eingeschätzt wird, zeigt auch die Anzahl der Unfälle am Matterhorn, die stark zurückging von rund 20 Rettungseinsätzen der Air Zermatt in früheren Jahren auf 15 Flüge 2012. Die Mehrheit der Bergsteiger erklettern das Horn heute mit Bergführern. Das ist ganz im Sinne des Alpine Center Zermatt, das die Bergführer vermittelt.

Exklusiver, dafür sicherer

Doch ist es in Ordnung, dass ein Berg so stark reglementiert wird? Ist es in Ordnung, dass die weniger zahlungskräftigen Bergsteiger also nicht mehr aufs Matterhorn können? «Die Berge gehören allen», sagt man – doch das Matterhorn ist eine Ausnahme. «Das Matterhorn ist sowieso spezieller», sagt Lauber. «Jetzt wird es zwar exklusiver, aber sicherer.» Zudem werde sich die neue Wasserfassung direkt unterhalb des jetzigen Zeltplatzes befinden. Die Exkremente der Camper würden das Wasser verschmutzen.

Muss die Polizei auf den Berg?

Lauber verweist auch auf den Mount Everest, wo man den Behörden von Nepal 10 000 Dollar bloss für die Bewilligung zur Besteigung bezahlen müsse. So weit ist es am schönsten Berg in den Alpen noch nicht. Am höchsten Alpengipfel, dem Mont Blanc, war im letzten Sommer erstmals die Polizei im Einsatz, um die Zahl der Gipfelstürmer zu reduzieren und Unerfahrene zurückzuschicken.

Lauber hofft, dass er nicht als Polizist wird amten müssen. Vollständig kontrolliert werden kann das Matterhorn ohnehin nicht: Es lässt sich nicht verhindern, dass nun mehr Bergsteiger auf die Solvayhütte, das Notbiwak für 10 Personen auf 4003 Metern Höhe (zwei Drittel der Strecke von der Hörnlihütte auf den Gipfel) ausweichen und es oft komplett überfüllt sein wird.