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Schweiz
Die FDP ist für eine Abgabe auf Flugtickets und dafür, dass die Schweiz ihre Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2050 auf null senkt. Das haben die Parteidelegierten in Zürich beschlossen.
Die FDP müsse nun wieder geschlossen auftreten – das sagte Parteipräsidentin Petra Gössi zu Beginn der gestrigen Delegiertenversammlung. Dass dies kein leichtes Unterfangen werden wird, zeigte sich am Schluss: Da machte sich der Luzerner Ständerat Damian Müller mit einem breiten Grinsen auf den Heimweg. Auf Müllers Antrag hin hatten die Delegierten am Ende einer epischen Debatte über die künftige freisinnige Umwelt- und Klimapolitik für eine Flugticketabgabe votiert. Der Luzerner Nationalrat Peter Schilliger bezeichnete die Abgabe derweil als «Symbolpolitik». Nur ein international koordiniertes System erziele Wirkung.
Die FDP hat in den vergangenen vier Monaten öffentlich darüber gesprochen, wie grün sie künftig sein will. Am Anfang stand ein Ausflug von Gössi nach Zermatt, bei der die Präsidentin das Ausmass der Gletscherschmelze sah. Das habe sie zutiefst betroffen gemacht.
Gössi holte daraufhin die Meinung der FDP-Basis ein, die sich überdeutlich für ein stärkeres freisinniges Engagement für den Klima- und Umweltschutz und unter anderem für eine Flugticketsteuer aussprach. Die Parteispitze legte dann ein Positionspapier ohne eine Verteuerung der Flugtickets, dafür mit einer Lenkungsabgabe auf Benzin und Diesel vor. Das war keine Kehrtwende. Eher eine sanfte Neuausrichtung – mit viel Eigenverantwortung, etwas Lenkung und sehr wenigen Verboten.
Wir hätten noch stärker verloren, wenn wir die Debatte nicht geführt hätten
(Quelle: Petra Gössi, FDP-Präsidentin)
Die Delegiertenversammlung in Zürich Altstetten markierte den Schlusspunkt dieser Debatte. Und die FDP-Delegierten haben dem neuen klimapolitischen Kurs ihrer Partei einen deutlich grüneren Anstrich verpasst. Sie nahmen einen Passus in das Klimapapier auf, gemäss dem die Schweiz ihre Treibhausgasemissionen bis 2050 auf netto null reduzieren muss – was der Kernforderung der Gletscher-Initiative entspricht, für die derzeit Unterschriften gesammelt werden. Es ist ein Sieg für den Zürcher FDP-Ständerat Ruedi Noser, der im Initiativkomitee sitzt und in der Mittagspause vom «wichtigsten Entscheid des Tages» sprach. Und eine Niederlage für jene, die der Klimaoffensive von Gössi skeptisch gegenüberstehen.
Dazu gehört der Berner Nationalrat Christian Wasserfallen, der vergeblich gegen den Netto-null-Antrag kämpfte. Entgegen dem Willen von Wasserfallen stellten sich die Delegierten später auch hinter die Benzin- und Dieselabgabe, die der Berner als «hochgradig asozial für die ländlichen Regionen» bezeichnete. Und ganz zum Schluss, nach sechs Stunden, gab es eben noch das Ja zur Abgabe auf Flugtickets. Der Ertrag soll teils in einen Fonds für Innovationen und Klimaschutzinvestitionen fliessen und teils rückverteilt werden – und dereinst von einer international koordinierten Kerosin-Steuer abgelöst werden.
«Die Delegierten haben sich für eine ambitionierte Klimapolitik ausgesprochen», sagte eine zufriedene Petra Gössi nach der Versammlung. Um dann anzufügen, dass das fertige Positionspapier nur die Stossrichtung vorgebe. Bei der anstehenden Debatte um das CO2-Gesetz müssten aber mehrheitsfähige Lösungen gefunden werden, so Gössi. Damit versucht sich die Parteipräsidentin schon einmal gegen den Vorwurf der Inkonsequenz zu schützen. Dieser wird von Links-Grün immer dann erhoben werden, wenn die FDP von den gestrigen Beschlüssen abweicht. Mit den Entscheiden der Delegiertenversammlung orientiert sich das Papier stärker an den Ergebnissen der Mitgliederbefragung. Doch dem Bau neuer Atomkraftwerke, der in der Umfrage eine Mehrheit gefunden hatte, erteilten die Delegierten eine Absage. «Lassen wir die zukünftigen Generationen über diese Frage entscheiden. Heute ist nicht die Zeit dazu», sagte Petra Gössi.
Bislang hat der FDP die Debatte um das Klimapapier nicht geholfen: Lag die Partei im Februar in einer Wahlumfrage noch deutlich über dem Ergebnis von 2015, stand bei der letzten Umfrage Anfang Juni ein Minus. «Wir hätten noch stärker verloren, wenn wir die Debatte nicht geführt hätten», sagte Gössi. Geschadet habe aber auf jeden Fall die Weitergabe von vertraulichen Dokumenten an die Medien während des Findungsprozesses. Nun erwarte sie, dass die Beschlüsse der Delegiertenversammlung «von allen akzeptiert und respektiert werden».