Abwahl
Das Wallis schickt Freysinger in Rente – SVP reagiert unzimperlich

Die Überraschung ist perfekt: Die SVP verliert ihren Sitz an einen Nobody. Nach Bekanntwerden des Resultats liess die Partei ihren Frust auch an Journalisten aus.

Antonio Fumagalli
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Damit hatte er nicht gerechnet: Oskar Freysinger scheidet aus der Regierung aus.key

Damit hatte er nicht gerechnet: Oskar Freysinger scheidet aus der Regierung aus.key

KEYSTONE

«Die spannendsten, härtesten und seltsamsten Wahlen der Walliser Geschichte.» So resümierte SVP-Mann Oskar Freysinger gegenüber dem «Walliser Boten» das, was sich in den letzten Monaten im zweisprachigen Kanton abgespielt hat. Was er nicht sagte: Er war für diesen durchaus zutreffenden Befund in entscheidendem Ausmass mitverantwortlich. Noch nie hat ein Kandidat die Bevölkerung derart gespalten, wie er es tat. Entweder man liebte ihn – oder man hasste ihn.

Kurz nach 15.30 Uhr war gestern klar, in welche Richtung das Pendel ausschlägt. «Es ist definitiv», rief jemand in den Pulk vor dem Sittener Wahlzentrum. Der noch vor wenigen Monaten weitgehend unbekannte FDP-Kandidat Frédéric Favre überholte Freysinger tatsächlich und schnappte ihm den fünften Regierungssitz weg – eine Sensation. Zum ersten Mal in der jüngeren Geschichte des Kantons wurde ein amtierender Staatsrat abgewählt.

Auf welche Weise dies geschah, passte ganz ins Drehbuch der «spannendsten Wahlen der Geschichte»: In den zuerst ausgezählten Oberwalliser Gemeinden lag Freysinger noch deutlich vorne, doch mit jeder Unterwalliser Gemeinde, die dazukam, rückte Favre näher – bis er ihn schliesslich um gut 2000 Stimmen distanzierte.

Die Nerven liegen blank

Auf der Strasse brandete spontan Applaus auf, Vertreter unterschiedlicher Parteien fielen sich in die Arme. Bei der SVP, die sich im Bistro gegenüber versammelt hatte, lagen die Nerven hingegen blank: Nationalrat Jean-Luc Addor hielt eine Rede vor Sympathisanten, Journalisten waren dabei unerwünscht. «Kein Zutritt, das ist eine interne Kommunikation», fauchte ein Breitschultriger und verwehrte unsanft den Zutritt ins Lokal. Später sagte Addor auf Anfrage, er habe zuvor mit Freysinger telefoniert und in seinem Namen den Wahlkampfhelfern für ihren Einsatz gedankt.

Auf Tauchstation

Denn Freysinger selbst war der grosse Abwesende des gestrigen Tages. Vor zwei Wochen erklärte er sein schlechtes Resultat im ersten Wahlgang noch wortreich mit wahltaktischen Fehleinschätzungen und der harten Kampagne gegen ihn, gestern wollte er sich den Mikrofonen nicht stellen.

Das übernahmen andere für ihn. «Man kann nicht zwei Anzüge gleichzeitig tragen», sagte René Constantin, Präsident der FDP Wallis. Er spielte damit auf Freysingers umstrittene und nicht mit der Regierungsfunktion zusammenhängende Auftritte bei rechtskonservativen Gruppierungen in ganz Europa an.

Was Freysinger aber letztlich das Genick gebrochen haben dürfte, waren umstrittene Personalentscheide während seiner Amtszeit als Bildungs- und Sicherheitsminister – insbesondere das Engagement des externen Beraters Piero San Giorgio, der unter anderem mit abschätzigen Äusserungen gegenüber Behinderten auffiel. «Das hat das Fass zum Überlaufen gebracht», sagte Constantin.

Die SP ist nur bedingt zufrieden

Die Verteilung der übrigen Walliser Regierungssitze verlief weitgehend überraschungsfrei. Das CVP-Trio mit dem Bisherigen Jacques Melly und den beiden Neulingen Roberto Schmidt und Christophe Darbellay verblieb auf den vordersten Plätzen, Esther Waeber-Kalbermatten (SP) folgte gleich dahinter. Für die SP war das hingegen nur ein halber Erfolg, erhoffte sie sich nach dem guten Abschneiden von Stéphane Rossini im ersten Wahlgang doch eine Doppelvertretung in der Exekutive. Das konservative Wahlvolk wollte sich jedoch offensichtlich nicht auf das Experiment einer Mitte-Links-Regierung bei gleichzeitig bürgerlichem Parlament einlassen.

Oskar Freysinger seinerseits steht nun von einem auf den anderen Tag ohne Job da. Was der Tausendsassa künftig zu tun gedenkt, konnte gestern nicht in Erfahrung gebracht werden. Via Parteikollege Franz Ruppen liess er einzig ausrichten, dass er «sehr enttäuscht, aber auch befreit» sei. Vor zwei Wochen stellte er für den Fall einer Abwahl in Aussicht, dass er in Rente gehen wolle – und somit «endlich weniger Stress» habe.

Lesen Sie auch den Kommentar von Antonio Fumagalli: "Das Wallis ist nicht die USA".

Oskar Freysinger – seine politische Karriere in Bildern:

Oskar Freysinger war der bekannteste und umstrittenste Walliser Politiker. Klicken Sie sich durch die Bilder seiner Karriere.
15 Bilder
Von 1999 bis 2002 ist Freysinger Präsident der SVP Wallis, die er mitbegründet hat.
National bekannt wird er, als er am SVP-Parteitag 2002 in Lupfig ein Spottgedicht vorträgt – mit einer Spitze gegen den damaligen Bundesratskandidaten Toni Bortoluzzi. (Symbolbild)
2003 zieht Freysinger in den Nationalrat ein, wie auch Pascale Bruderer (seit 2002 im Rat) und Christophe Darbellay.
Mit seinen Provokationen macht er sich schnell einen Namen und ziert bald die Titelblätter nationaler Medien. Hier geht es um ein Inserat, das Osama bin Laden auf einer ID zeigt.
Auch in seiner Partei steigt Freysinger auf. Ab 2012 ist er einer von sieben SVP-Vizepräsidenten.
Nach drei Legislaturen ist Schluss: Zu den nationalen Wahlen 2015 tritt der Walliser nicht mehr an.
Berührungsängste zu extrem rechten Kreisen kennt Freysinger nicht. Mehrmals gerät er deswegen in die Schlagzeilen. Er tritt etwa beim rechtsextremen deutschen Magazin «compact» auf.
2013 entsteht Wirbel um Freysinger, weil in einer SRF-Sendung die deutsche Reichskriegsflagge in seinem Büro zu sehen ist. Er lässt verlauten, ihm gefielen die Farben und Symbole...
...und nicht die Ideologie dahinter.
2013 gelingt ihm die Wahl in den Walliser Staatsrat.
Er ist Vorsteher des Departements für Bildung und Sicherheit.
Bei den Regierungsratswahlen 2017 peilt Freysinger die Wiederwahl an.
Im Wahlkampf startete Freysinger einen Frontalangriff auf die vorherrschende CVP.
Im ersten Wahlgang musste er bereits eine empfindliche Schlappe hinnehmen – er landete nur auf Platz 6. Nach dem zweiten Wahlgang war dann klar: Die Walliser haben ihn aus der Regierung gewählt.

Oskar Freysinger war der bekannteste und umstrittenste Walliser Politiker. Klicken Sie sich durch die Bilder seiner Karriere.

Keystone