Interview
«Das Telefon im Kofferraum deponieren – zum Selbstschutz»

Patrizia Koller von Roadcross Schweiz, einer Stiftung für Verkehrssicherheit, erklärt, was man gegen Ablenkung am Steuer machen kann.

Dimitri Hofer
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Ein Mann, der telefoniert während der Autofahrt. (Symbolbild)

Ein Mann, der telefoniert während der Autofahrt. (Symbolbild)

bz Basellandschaftliche Zeitung

Handys sind allgegenwärtig. Die Versuchung, sie auch während des Autofahrens zu nutzen, ist riesig. Was kann ich dagegen unternehmen?

Patrizia Koller: Eine entsprechende Vorbereitung, bevor man ins Auto sitzt, ist sehr wichtig. Man sollte vor der Abfahrt die dringendsten Telefonate erledigen oder die Route eingeben. Es sollte kein Bedarf entstehen, das Handy während der Fahrt benutzen zu müssen. Man kann auch sein Umfeld informieren, dass man für eine Weile nicht erreichbar sein wird. Weitere Möglichkeiten sind, das Smartphone auf lautlos zu stellen oder den Flugmodus zu aktivieren. Kann man die Finger einfach nicht vom Telefon lassen, könnte man es zum Selbstschutz auch im Kofferraum deponieren.

Es gibt jedoch Menschen, die aufgrund ihres Berufes ständig, auch während des Autofahrens, erreichbar sein müssen.

Das stimmt. Eine Gegensprechanlage zu benutzen, ist gesetzlich erlaubt. Die Autolenker müssen sich aber auch bei einer solchen Anlage bewusst sein, dass damit nicht einfach alle Probleme gelöst sind.

Was meinen Sie damit?

Die Gegensprechanlage ist zwar eine Lösung, um die Hände frei zu haben. Ist man aber in ein Gespräch vertieft, leidet die Aufmerksamkeit trotzdem. Die kognitive Leistungsfähigkeit des Gehirns ist begrenzt und umso weniger automatisiert eine Tätigkeit ist, desto eher geschehen Fehler. Wenn man während der Fahrt telefoniert, ist es kein Problem, die Gangschaltung zu bedienen. Geschieht jedoch etwas Unerwartetes, wie ein Kind, das auf die Strasse rennt, wird die Reaktionszeit und somit auch der Bremsweg länger. Die Unfallgefahr erhöht sich. Das Gehirn ist noch mit anderen Tätigkeiten ausgelastet und reagiert langsamer.

Viele Menschen hören Musik im Auto. Was gilt es hier zu beachten, um sich richtig zu verhalten?

Es ist unrealistisch, das Musikhören zu verbieten. Aber man sollte sich bewusst sein, dass im Verkehr auch Geräusche ein wichtiger Faktor sind. Die Lautstärke der Musik sollte so angepasst sein, dass man Signalisationen und andere Verkehrsteilnehmer wahrnehmen kann. Man könnte sich eine Playlist zusammenstellen, damit man während der Fahrt nichts mehr unternehmen muss. Oder man hat einen Beifahrer, der dies übernimmt.

Einmal abgesehen von Smartphone und Musik: Wodurch lassen sich Autofahrer auf der Strasse auch noch ablenken?

Was wir bei unseren Präventionsveranstaltungen häufig thematisieren, ist das Essen und Trinken. Beide Hände gehören ans Steuer, was dann nicht mehr der Fall wäre. Auch sind die Mitfahrer ein wichtiger Faktor, weil Ablenkungspotenzial besteht. Seien dies angeheiterte Freunde auf der Heimfahrt von einer Party oder Kinder, die nach Aufmerksamkeit schielen.

Wie sieht Ihre Präventionsarbeit in der Schweiz aus?

Wir sind einer der grössten Anbieter von Präventionsveranstaltungen zur Verkehrssicherheit für junge Erwachsene. Hauptsächlich gehen wir in Berufsschulen und Gymnasien und klären dort über Gefahren im Strassenverkehr auf. Dabei ist die Ablenkung eines der wichtigsten Themen. Es gibt aber auch noch Alkohol und Drogen oder die Geschwindigkeit. Wir wollen den jungen Verkehrsteilnehmern aufzeigen, dass eine Sekunde Unaufmerksamkeit gravierende Folgen für den Rest des Lebens haben kann. Ein Unfall betrifft nie nur den Lenker selber, sondern sein ganzes Umfeld.

Entlang deutscher Autobahnen hängen drastische Plakate, die auf die Gefahren des Handys am Steuer aufmerksam machen. Würden Sie sich solche Plakate auch für die Schweiz wünschen?

Wir würden eine landesweite Kampagne zum Thema Ablenkung am Steuer sehr begrüssen. Schockkampagnen hingegen erachten wir als wenig zielführend. Wir setzen auf Prävention und versuchen, den Bezug zur eigenen Lebenswelt der Präventionsteilnehmer herzustellen.