Morgen ist Reto Müller seit 100 Tagen Präsident der SP Langenthal. Er ist überzeugt, dass es die SP nach wie vor braucht, und will die intern neu strukturierte Partei verstärkt in der Öffentlichkeit präsentieren. Dabei ist die Kommunikation für ihn wichtig.
Olivier Andres
Herr Müller, wurde die SP Langenthal unter Ihrem Präsidium zu einer Verhinderer-Partei?
Reto Müller: Nein, wir sind das Gegenteil einer Verhinderer-Partei. Aber auch wir können nicht immer Ja sagen. Aber Sie sprechen sicher den Umbau des Musikschulgebäudes an.
Genau.
Müller: Die vom Gemeinderat vorgeschlagene Sanierung der Musikschule war für uns ein Projekt, das nicht fertig war. Nachdem der Gemeinderat betont hatte, dass er nur ganzheitliche Projekte vor den Stadtrat bringen wolle, ging gleich beim ersten Projekt die Behinderten-gerechtigkeit vergessen. Dagegen mussten wir uns wehren, denn wir wollen, dass Projekte bis zum Ende und für alle Menschen durchdacht in den Stadtrat kommen. Die Verzögerung der Sanierung hatten wir aber nie im Sinn; aus unserer Sicht könnte der Gemeinderat das Projekt unter Einbezug eines Treppenlifts sofort wieder vorlegen.
Was will die SP Langenthal bewegen, wo tritt die Partei konstruktiv auf?
Müller: Wir wollen das Gesicht der Stadt modernisieren, das heisst unter anderem Stadttheater, Wuhrplatz und Bahnhofareal umbauen. Wir wollen die öffentliche Sicherheit und Situation des Langsamverkehrs, insbesondere auch auf den Schulwegen, verbessern, und wir wollen neue Plätze in der familienexternen Betreuung schaffen. Dies sind drei konkrete Punkte. Wir haben aber einen breiten Fächer an Themen, welche wir angehen werden. Gegen aussen wollen wir vermehrt als stärkste Partei Langenthals auftreten und zeigen, dass die SP wichtig ist. Mit gezielten Aktionen sollen dabei auch unsere Politiker in den Vordergrund gestellt werden. Gleichzeitig wollen wir den Mitgliederschwund stoppen.
Vor knapp 100 Tagen haben Sie das Präsidium der SP Langenthal übernommen. In welchem Zustand befand sich die Partei?
Müller: Ich durfte die Partei in einem sehr guten Zustand von meiner Vorgängerin Nathalie Scheibli übernehmen. Ich wusste, was auf mich zukommen würde. Meine Erwartungen wurden erfüllt. Ich bin meinem Vorstand sehr dankbar für die grosse Arbeit, die alle leisten.
Was hat sich mit dem Wechsel im Präsidium in der Partei geändert?
Müller: Es änderte sich nicht viel; wir machen grundsätzlich noch immer das Gleiche. Als Präsident bin ich persönlich bestimmt ein Symbol der Nachwuchsförderung, in welcher wir in der SP einiges erreichten und dort weiterarbeiten werden. Letztlich sollte es aber das Ziel sein, dass das Präsidium auswechselbar wird, damit einst auch weniger erfahrene Mitglieder dieses Amt als Aufstiegschance übernehmen können. Die Statutenänderung, die dies ermöglichen soll, wurde vom Parteivorstand in seiner alten Zusammensetzung eingeleitet. Sie passte die Parteistrukturen der Realität an. Nun ist ganz klar, wer wofür verantwortlich ist. Unser Ziel ist daher, nun geeinter als früher aufzutreten und zu zeigen, dass in der SP zwar alle Menschen mitmachen können, sie aber kein «Jekami-Club» ist.
Als Internetblogger sind Sie für eine offensive und rasche Kommunikation bekannt. Muss man sich nun daran gewöhnen, dass Ergebnisse politischer Verhandlungen sofort öffentlich werden?
Müller: Politik ist nicht - wie viele vielleicht denken - ein Privileg Einzelner gegenüber der Allgemeinheit, die im stillen Kämmerlein gemacht wird. Wir machen immer Politik für die Öffentlichkeit und deshalb will ich auch offen sein und unsere Meinung offen kundtun. Was nicht öffentlich gemacht werden darf, was vertraulich ist, wird aber selbstverständlich nicht kommuniziert, da kann ich sehr gut differenzieren.
Bei Ihrer Wahl sagten Sie: «Wir wissen nicht, ob es mit der Partei aufwärts geht». Welchen Eindruck haben Sie heute?
Müller: Diesbezüglich stellt sich immer die Frage, wer mit der «Partei» gemeint ist. Neben der SP Langenthal ist meistens auch die SP Schweiz mitgemeint. Aus meiner Sicht geht es mit beiden aufwärts. Wir erlebten eine sehr gute 1.-Mai-Feier, an der wir mit den Besuchern ins Gespräch kommen konnten. Und wenn der eingeschlagene Weg weiterverfolgt wird, kommt es gut.
An der SP-Hauptversammlung warfen Sie die Frage auf, ob es die SP als Arbeiterpartei überhaupt noch brauche. Ihre Antwort?
Müller: Eine Partei muss sich immer wieder überlegen, welche Bedeutung und Funktion sie hat. Zu sagen, «wir müssen weiter existieren, weil es uns schon immer gegeben hat», reicht nicht. Die aktiven Politiker der SP Langenthal sind heute keine Arbeitnehmer im eigentlichen Sinn mehr. Indem die Schweiz zu einem Dienstleistungsstaat wurde, hat sich auch die SP verändert. Dennoch braucht es die Partei, die sich für das tiefere Lohnsegment, die Arbeitnehmer, für Mietende, für Umweltschützer, für Konsumenten einsetzt, nach wie vor. Die Frage nach der Existenzberechtigung stellt sich daher nicht, aber wir werden uns auch künftig kritisch hinterfragen und daraus die notwendigen Schlüsse für unsere Politik ziehen.