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In der Altstadt von Aarau brannte es am Dienstag bedrohlich. Der Feuerwehr gelang es mit einem Grosseinsatz, ein Übergreifen auf Nachbarhäuser zu verhindern. Sie war bis und mit heute Morgen vor Ort im Einsatz.
«Es ist zum Heulen», erklärte Marianne Bolliger, Geschäftsinhaberin in der Altstadt. Der Brand zerstörte gestern das Gebäude, das die Rathausgasse noch schöner hätte machen sollen. Im Haus, in dem Samira Schmitter (30), die Barista mit dem 3-Rad-Velo, zusammen mit ihrer Geschäftspartnerin Sonja Ihle im Frühling 2020 eine Café-Bar eröffnen wollte – als Teil des Coworking Aarau (ist aktuell mit «Popup Work» im ehemaligen Eniwa-Hauptsitz). Es ist das Gebäude, das die Bauunternehmer-Familie Grundmann (Suhr) für 4,5 Millionen Franken total sanieren lässt.
Das Projekt hatte Schneider & Schneider, das grösste Architekturbüro auf dem Platz Aarau, ausgearbeitet. Geplant waren in den oberen Geschossen zehn Wohnungen. Und dort, wo das Ende 2017 geschlossene Möbelgeschäft Strebel untergebracht war, sollte das Co-Working reinkommen.
Ein Brand während Umbauarbeiten – das erinnert an die Notre-Dame-Katastrophe in Paris. Die Ursache des Aarauer Grossfeuers war gestern Abend noch nicht bekannt. Die Spezialisten dürften die Ermittlungen heute aufnehmen – falls die Struktur des historischen Gebäudes nicht so zerstört worden ist, dass Einsturzgefahr besteht. Der Brand brach kurz nach 17 Uhr aus.
Neben der Feuerwehr Aarau waren auch die Feuerwehren Zofingen (mit einer zweiten Drehleiter) sowie Küttigen und Erlinsbach im Einsatz. Um 19 Uhr war der Brand unter Kontrolle. Die Feuerwehr musste aber noch Glutnester bekämpfen. Der Schaden wird in die Millionen gehen. In Mitleidenschaft gezogen wurden auch die Nachbarhäuser, die mit viel Wasser gekühlt werden mussten.
Der Blick auf die Flammen ruft in Erinnerung, dass 2004 am Graben der Silberhof (Bijouterie Widmer) durch einen Brand schwer beschädigt worden ist – ebenfalls während Renovationsarbeiten, ebenfalls am frühen Abend. 1992 hatte es zudem an der Milchgasse einen gefährlichen Dachstockbrand gegeben.
Die beiden Häuser «zum Schlüssel» (Rathausgasse 6) und «zum Schwert» (Rathausgasse 8) bilden zusammen mit dem Eckhaus «zum Erker» ein zusammenhängendes Ensemble. Ihren baulichen Ursprung haben die Häuser in der ersten Epoche des 16. Jahrhunderts. So taucht das «Schwert» 1529 und 1531 als Unterkunft für eidgenössische Truppen während der Kappelerkriege auf. Um 1580 wird in den Annalen eine Tavernenwirtschaft «zum Schlüssel» aufgeführt.
Während der «Schlüssel» als Taverne relativ rasch wieder verschwindet, hält sich das «Schwert» bis weit ins 19. Jahrhundert. Im Saal im ersten Stock finden Tanzvergnügungen statt, nebst kleineren Konzerten und Theateraufführungen. Im «Schwert» wird auch Bier gebraut. 1875 gibt der letzte Wirt den Betrieb auf, 1893 erlischt das Tavernenrecht.
Im Laufe der Zeit erlebten die beiden Häuser verschiedene Um- und Ausbauten, wobei man in historischer Zeit nicht immer zimperlich mit der Bausubstanz umging. Das «Schwert» hat seine auffallend breite Fassade im 18. Jahrhundert beispielsweise bei der Zusammenlegung von zwei schmalen Bauten erhalten. An beiden Gebäuden die Jahrhunderte überdauert haben die Giebel. Im Inventar der Kunstdenkmäler des Kantons Aargau werden am «Haus zum Schlüssel» besonders «die spätgotisch profilierten Doppelfenster mit ausgebrochenem Mittelstützen» hervorgehoben.
Ab 1945 wurden die beiden Häuser von der Strebel AG als Einrichtungshaus genutzt. Zu diesem Zweck wurden die Häuser im Innern miteinander verbunden. Haus Nummer 6 wurde vollständig entkernt und mit einer tragenden Betonstruktur neu aufgebaut, wie dem Baugesuch im Februar 2018 zu entnehmen war. Haus 8 hingegen wies vor dem aktuellen Umbau im Innern ältere Substanz mit Holzbalkendecken auf.
2017 gab Strebel das Geschäft auf. Im Februar 2018 legte die Eigentümerin, die Grundmann Immobilien AG, das Baugesuch für den Umbau der beiden Häuser auf. Die Umbaupläne sahen vor, das Parterre und das erste Obergeschoss weiterhin als Gewerbeflächen zu nutzen, vom 2. bis 5. Stock sollen zehn Wohnungen entstehen.
Am Dienstagabend kam es wegen des Brandes in der Altstadt zu Behinderungen im öffentlichen Verkehr. Der Busbetrieb der BBA musste teilweise umgeleitet werden, da die Rathausgasse bis Mittwochmorgen gesperrt war. Mittlerweile wurde die Strasse wieder geöffnet.