Am 8. März wird über die Volksinitiative «Energie- statt Mehrwertsteuer» abgestimmt. Neun Fragen und Antworten zur Vorlage der Grünliberalen.
Überspitzt formuliert: eine Energiewende per sofort. Der Verfassungsartikel schafft die heutige Mehrwertsteuer innerhalb von fünf Jahren ab und führt eine Steuer auf nicht erneuerbarer Energie ein. Darunter fallen Uran, Kohle, Erdöl und Gas. Je nach ökologischer Gesamtbilanz eines «schmutzigen» Energieträgers fällt der Steuersatz unterschiedlich hoch aus. Damit der Schweizer Wirtschaft keine Wettbewerbsnachteile entstehen, sind Ausnahmen für stromintensive Branchen und Unternehmen möglich. Auch «graue Energie» kann besteuert werden: Gemeint ist beispielsweise der Strom, der zur Erstellung eines importierten Autos oder eines Computers notwendig war. Die Schweizer Exporteure erhalten analog dazu bereits bezahlte Energiesteuern an der Grenze wieder zurück.
Ihre Hauptziele sind ein rascher Ausbau der erneuerbaren Energien, mehr Energieeffizienz und ein geringerer CO2-Ausstoss. Im Idealfall kann sich die Schweiz aus ihrer Abhängigkeit von fossilen Energien und Atomkraft lösen, nebenbei Milliarden Franken sparen und neue, «gut bezahlte» Arbeitsplätze im Bereich Cleantech schaffen. Dank der Abschaffung der Mehrwertsteuer sollen gut 300 000 Unternehmen von der «lästigen Mehrwertsteuer-Bürokratie» und der «unsinnigen Besteuerung von Innovation und Wertschöpfung» befreit werden.
Nach oben. Eine Kilowattstunde Strom aus Atomkraft würde laut Schätzungen des Bundes um 33 Rappen teurer. Beim Heizöl würde der Aufschlag 3,3 Franken pro Liter und beim Benzin 3 Franken betragen. In jedem Fall müssten die Einnahmen aus der Energiesteuer die bisherigen Einkünfte aus der Mehrwertsteuer ersetzen. Das sind derzeit rund 23 Milliarden Franken oder 35 Prozent der Bundeseinnahmen.
Verbrauchen die Konsumentinnen und Konsumenten als Reaktion auf die höheren Preise – wie von den Grünliberalen beabsichtigt – deutlich weniger nicht erneuerbare Energie, gehen auch die Einnahmen aus der Energiesteuer zurück. Der Steuersatz auf Gas, Öl, Kohle und Atomstrom müsste konsequenterweise erhöht werden, damit der Bund auch in Zukunft über ausreichend finanzielle Mittel verfügt.
Der Bundesrat rechnet damit, dass bei einer Annahme der Initiative «alle Schweizer Kernkraftwerke umgehend stillgelegt würden»: Die Meiler wären aufgrund der hohen Energiesteuern auf nuklearem Brennstoff gegenüber anderen Energieträgern «nicht mehr konkurrenzfähig».
Maximal 13,1 Prozent würden in die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) fliessen. Weitere fünf Prozent wären für Verbilligungen der Krankenkassenprämien bei unteren Einkommensschichten reserviert. Bis zu 1,5 Prozent gingen an die Finanzierung von Eisenbahngrossprojekten.
Privathaushalte mit einem hohen Verbrauch an Benzin oder Heizöl bekämen den Übergang von der Mehrwert- auf eine Energiesteuer am deutlichsten zu spüren. Die Geringverdiener würden prozentual stärker belastet als Wohlhabende, weil die Energiekosten einen höheren Anteil an ihren Gesamtausgaben ausmachen. Auch die Wirtschaft müsste den Gürtel enger schnallen: Obwohl die Initiative Ausnahmen und Rückerstattungsmöglichkeiten vorsieht, ist eine steuerliche Mehrbelastung für Unternehmen wahrscheinlich: Zum einen darf die Schweiz ihren Exportfirmen die Energiesteuer an der Grenze aufgrund internationaler Verträge wohl kaum zurückerstatten. Zum anderen macht eine Energiesteuer wenig Sinn, wenn massenhaft Unternehmen davon ausgenommen werden.
Kaum. Neben den Grünliberalen haben nur die Grünen die Ja-Parole ausgegeben. Im Jahr 2000 lehnte das Stimmvolk einen wesentlich moderateren Vorschlag für eine Energielenkungsabgabe mit 55,5 Prozent Nein-Stimmen ab.
Auch der Bundesrat will den Energieverbrauch mit Preiserhöhungen nach unten lenken. Ab 2021 ist eine Abgabe auf Brennstoffen, Strom und allenfalls Treibstoffen geplant. Diese soll schrittweise ansteigen und den Stromverbrauch pro Kopf bis 2035 um 43 Prozent reduzieren. Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf schickt das Vorhaben nach der Abstimmung in die Vernehmlassung.