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Bundesrat Schneider-Ammann kämpft noch für volle Schweizer Teilnahme an «Horizon Europe». Doch: Geht das auch ohne Rahmenabkommen?
Selbst in seinen allerletzten Tagen als Wirtschaftsminister kämpft Johann Schneider-Ammann noch dafür, dass die Schweiz ab 2021 bei «Horizon Europe» mitmachen kann. «Es gibt einen Grund, weshalb ich mich dafür einsetze, dass die Schweizer Beteiligung am EU-Forschungsprogramm nicht infrage gestellt wird wie nach dem Ja zur MasseneinwanderungsInitiative», sagt er. «Ich will, dass die Schweiz bei ‹Horizon Europe› ab 2021 vollwertig mitmachen kann.»
«Horizon Europe» ist das neue ambitiöse Forschungs- und Innovationsprogramm der EU. Es ist mit 100 Milliarden Euro dotiert, startet am 1. Januar 2021 und löst «Horizon 2020» ab, das 2020 endet. Ob und wie die Schweiz an der neusten Generation der EUForschungsprogramme teilnehmen kann, scheint die EU aber davon abhängig zu machen, dass die Schweiz das Rahmenabkommen unterzeichnet.
«Wir haben Signale aus der EU, dass das Rahmenabkommen darauf einen Einfluss hat», sagt Schneider-Ammann. Für ihn ist das «ungeschickt». Die Beteiligung sei «nicht nur im Interesse der Schweiz». Diese verfüge über einen hervorragenden Hochschulbereich, betont der Wirtschaftsminister. «Die Schweizer Teilnahme bringt auch Europa viel. Es wird die Aufgabe der nächsten Monate sein, aufzuzeigen, dass dies zum Wohle aller ist.»
Für Europa sei es wichtig, dass das Forschungssystem des ganzen Kontinents «bestmöglich intakt und leistungsfähig bleibt, mit der Schweiz», betont er. «Damit bleiben wir, was Wissen und Können betrifft, konkurrenzfähig mit dem Fernen Osten und den USA.» Damit stiegen auch die Chancen, dass Europa in der Welt bestehen und die Arbeitslosigkeit senken könne. Für den Wirtschaftsminister ist klar, welche Herausforderung Europa hat: «Die Wettbewerbsfähigkeit». Schneider-Ammann sagt, Europa sei gegenüber dem Fernen Osten und den USA zurückgeworfen worden.
Die technischen Gespräche für eine Schweizer Beteiligung an «Horizon Europe» sollen 2019 geführt werden. Beim Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) im Wirtschaftsdepartement betont man, die Beteiligung der Schweiz an den EU-Forschungsrahmenprogrammen sei Teil der Bilateralen I von 2002. Deshalb erwarte die Schweiz, dass sie an «Horizon Europe» teilnehmen könne. Wie die Bedingungen dafür aus- sähen, sei Gegenstand von Verhandlungen. Unklar ist, ob die Schweiz voll- oder nur teilassoziiertes Mitglied ist und wie die Finanzierungsmodalitäten aussehen.
Bei Horizon 2020 war die Schweiz wegen des Ja zur Masseneinwanderungs-Initiative und dem nicht unterzeichneten Kroatien-Protokoll zwischen 2014 und 2016 nur teilassoziiertes Mitglied, ab 2017 aber wieder vollassoziiert. Statistiken des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation zeigen, dass die Schweiz zwischen 2014 und dem 6. März 2018 an total 1942 Projekten beteiligt war. Der ETH-Bereich kam auf 28 Prozent (543 Beteiligungen), die KMU, die besonders gefördert werden, auf 21 Prozent (413 Beteiligungen) und die kantonalen Universitäten auf 20 Prozent (392 Beteiligungen). Der Bund überwies der EU Pflichtbeiträge von 724 Millionen. Im Gegenzug flossen aus der EU Forschungsbeiträge von 654 Millionen in die Schweiz. Die Schweiz überwies damit mit 70 Millionen höhere Pflichtbeiträge als die EU Forschungsmittel in die Schweiz.
Für die Schweizer Wissenschaft ist eine Beteiligung an «Horizon Europe» sehr wichtig. Das zeigen öffentliche Stellungnahmen von ETH-Rat und swissuniversities, der Rektorenkonferenz der Schweizer Hochschulen, von Ende September. «Ohne Rahmenabkommen ist die Teilnahme an den EU-Forschungsprogrammen in Gefahr», schreibt der ETH-Rat. Der internationale Wettbewerb sei für die Schweizer Bildungsinstitutionen wichtig, um an der Spitze zu bleiben. Für die Hochschulen sei das Zeitfenster für eine erfolgreiche Verhandlung einer Beteiligung an «Horizon Europe» klein, schrieb swissuniversities. Präsident Michael Hengartner betonte, der Wissens- und Forschungsplatz Schweiz riskiere «seine internationale Spitzenposition», wenn die politischen Voraussetzungen für die Teilnahme an Forschungsprogrammen fehlten.