Weil Wahlzettel manipuliert worden sind, wollte die Unterwalliser SVP die Vereidigung des Staatsrats verschieben. Doch das misslang. Nun erhofft sich die Partei Schützenhilfe vom Bundesgericht.
Die Kleidung formell, der Blick bestimmt und die rechte Hand zum Schwur in die Höhe gestreckt – so wurden die fünf Walliser Staatsräte am Montag vor dem Parlament vereidigt. Was normalerweise eine reine Formalität ist, sorgte im zweisprachigen Kanton diesmal für gehörig Aufregung: Die SVP Unterwallis hatte nämlich verlangt, dass die Vereidigung verschoben wird. Doch daraus wurde nichts, der Grosse Rat verwarf den Ordnungsantrag mit 106 zu 22 Stimmen deutlich.
Hintergrund des SVP-Begehrens ist der mutmassliche Wahlbetrug, der den zweisprachigen Kanton seit Tagen in Atem hält. In den drei Oberwalliser Gemeinden Brig, Naters und Visp haben Unbekannte sowohl den ersten wie auch den zweiten Wahlgang der Staatsratswahlen manipuliert. Bürger hatten den Behörden gemeldet, keine Wahlunterlagen erhalten zu haben. Die Gemeinden jedoch stellten fest, dass in ihrem Namen bereits abgestimmt worden war.
Die Täterschaft ging dabei wenig kreativ vor: Die Bulletins wurden überwiegend mit dem gleichen Filzstift ausgefüllt, wobei der Vor- im Gegensatz zum Nachnamen jeweils ausgeschrieben war. Gemäss Staatsschreiber Philipp Spörri hat der Kanton Kenntnis von 64 Fällen. Die Dunkelziffer dürfte aber deutlich höher liegen, da zahlreiche Bürger das Fehlen der Unterlagen wohl gar nicht bemerkt haben.
Wie die Walliser Staatsanwaltschaft am Sonntagabend mitteilte, haben Brig und Naters Klagen wegen Wahlbetrug eingereicht. Diejenige von Visp dürfte in den kommenden Tagen folgen. Die Strafverfolgungsbehörden gehen in den kommenden Wochen und Monaten also der Frage nach, wer hinter den Betrügereien steckt und wie der oder die Täter vorgegangen sind. Vermutet wird, dass sie die Wahlunterlagen aus den Briefkasten gefischt haben. Theoretisch könnte der Betrug aber auch schon bei der Postverteilung erfolgt sein.
Im Grossen Rat ist die SVP mit ihrer Forderung nach einer Vereidigungs-Verschiebung nun also aufgelaufen. Die Parlamentsmehrheit war der Ansicht, dass die ergaunerten Stimmen keinerlei Einfluss auf das Ergebnis der Wahlen hatten. Doch die SVP gibt sich nicht so schnell geschlagen: «Wir werden ans Bundesgericht gelangen», sagt Fraktionschef Grégory Logean gegenüber der «Nordwestschweiz». Der Parteivorstand fälle den formellen Entscheid in den kommenden Tagen, ein Weiterzug nach Lausanne sei aber «so gut wie sicher». Dies, weil die Validierungskommission ihren Vorschlag zuhanden des Parlaments noch vor Ablauf der Beschwerdefrist präsentiert habe und zudem die nötigen Abklärungen bei der Staatsanwaltschaft und den betroffenen Gemeinden versäumt habe.
Logean geht davon aus, dass vom Betrugsskandal bisher «nur die Spitze des Eisbergs» bekannt ist – und schöpft daraus Hoffnung für «seinen» Kandidaten Oskar Freysinger, der überraschend aus der Walliser Exekutive abgewählt worden ist.
Wie schon seit dem Wahlsonntag war Freysinger für Journalisten auch am Montag nicht erreichbar. Logean hingegen sagt, er habe ihn am Morgen am Telefon gehabt. Dabei habe ihm der (mutmasslich) Geschlagene versichert, im Falle eines entsprechenden höchstrichterlichen Urteils nochmals in die Hosen zu steigen. «Freysinger akzeptiert das Wahlergebnis selbstverständlich und ist bereit, die Konsequenzen zu tragen – aber nur, wenn es auf reguläre Weise entstanden ist. Kommt das Bundesgericht zu einem anderen Schluss, ist er mehr als motiviert, sich der Bevölkerung erneut zur Wahl zu stellen», so der SVP-Fraktionschef.
Dass es tatsächlich zu einer Neuauflage der Walliser Staatsratswahlen kommt, ist angesichts der bisherigen Praxis des Bundesgerichts allerdings ziemlich unwahrscheinlich. Und sogar dann wäre ein spektakuläres Comeback von Freysinger in Amt und Würden mehr als fraglich: Im zweiten Wahlgang distanzierte ihn FDP-Mann Frédéric Favre um mehr als 2100 Stimmen – also um ein Vielfaches des bisher bekannten Ausmasses der Wahlmanipulation.