Die Uni Basel setzt im Gegensatz zu anderen Hochschulen auf Onlinevorlesungen. Das sorgt für Unmut bei Dozenten und Studierenden.
Die meisten Universitäten streben bei der Planung des nächsten Semesters die Rückkehr zur Normalität an, ganz so, wie das der Bund vorsieht. Das heisst, dass die Studenten bald wieder in die Hörsäle kommen sollen. Oder zumindest Hybridunterricht erhalten, bei dem jeweils abwechselnd ein Teil der Studierenden an die Uni kommt und der andere Teil die Vorlesungen von zu Hause aus hört. «Die Raumkapazitäten werden voll genutzt», schreibt etwa die Universität Bern auf Anfrage. Die Lehre solle wieder grundsätzlich in Präsenz stattfinden.
Ähnlich klingt es bei der Universität St.Gallen (HSG), aber: «Die Situation ist sehr volatil.» Neue Entscheidungen auf nationaler oder kantonaler Ebene würden daher auch bei der HSG zu Anpassungen führen. «Es versteht sich von alleine, dass wir nach eineinhalb Jahren Pandemie hybride und voll digitale Lehrbetriebsszenarien als mögliche Alternativen vorsehen», sagt Jürg Roggenbauch von der HSG.
Die ETH Zürich plant gar in zwei Szenarien. «Vollpräsenz und 50 Prozent Belegung», heisst es auf Anfrage. Letzteres tritt in Kraft, wenn die Massnahmen bezüglich Abstandsregeln und Kapazitätsgrenzen im Hochschulumfeld nicht aufgehoben werden. «Da wir dies erst sehr knapp vor Semesterstart wissen, müssen wir in der Lage sein, sehr kurzfristig und ohne grosse Umplanungen in eine Teilpräsenz zu wechseln.» Man wende dabei denselben Modus an, der für das Frühjahrssemester vorgesehen gewesen, aber nie umgesetzt worden sei.
Die Universität Luzern sieht hauptsächlich Präsenzunterricht vor. «Die Möglichkeit für Zertifikatspflicht besteht, aber nur ausserhalb der regulären Lehrveranstaltungen.» Bei Weiterbildungen, Tagungen und Konferenzen sei es möglich, die Zertifikatspflicht einzuführen, aber das sei Sache der Veranstalter. «Als öffentliche Bildungsanstalt können wir unsere Kernaufgabe nicht der Zertifikatspflicht unterstellen.»
Derweil appelliert Swissuniversities, die Rektorenkonferenz der schweizerischen Hochschulen, an die zuständigen politischen Gremien, Massnahmen zu ergreifen, damit keine weiteren Einschränkungen des Lehrbetriebs oder gar Schliessungen nötig sind. Doch nicht alle Fakultäten wollen zur Normalität zurückkehren. Die Universität Basel hat gestern bekanntgegeben, für einen Teil der Studenten hybriden Präsenzunterricht ermöglichen zu wollen, nicht aber für alle. Denn die medizinische Fakultät will grundsätzlich nur digitale Vorlesungen anbieten, abgesehen von einigen punktuellen Hybridvorlesungen für Erstjahresstudierende.
Das sorgt für Kritik, denn erst im Juli haben sich 44 Professoren und Chefärztinnen des Unispitals Basel mit einem Brief an die Unileitung gewandt und gefordert, dass wieder Präsenzunterricht eingeführt wird. Laut dem Schreiben «erachten die unterzeichnenden Professorinnen und Professoren die Wiedereinführung des Präsenzunterrichts ab Herbstsemester als verantwortbar und notwendig». Zu den Unterzeichnern des Briefes gehört auch der bekannte Infektiologe Manuel Battegay.
Hinter vorgehaltener Hand regen sich nun viele Ärzte über den negativen Entscheid der Universitätsleitung auf. Auch die Studentenorganisationen, die mit Briefen und Umfragen unter der Studentenschaft viel Überzeugungsarbeit geleistet haben, zeigen sich enttäuscht. Anna Hahn, Jahreskursvertreterin der Medizinstudenten im dritten Jahr, sagt:
«Es ist eine seltsame Situation, in Clubs und Bars können wir gehen mit dem Impfausweis. Doch an der Uni in Präsenz studieren ist nicht erlaubt, obwohl dass auch die meisten Chefärzte fordern.»
Die Universitätsleitung begründete das lange mit rechtlichen Schwierigkeiten und schrieb, es sei nicht möglich, zum Beispiel nur Geimpfte und Genesene zum Präsenzunterricht zuzulassen. Laut Universitätssprecher Matthias Geering sei das auch vom Rechtsdienst der Universität so bestätigt worden. Das steht im Widerspruch zu der Einschätzung des Rechtsdienstes des Unispitals. Denn dieser sieht laut dem Brief der Basler Ärzte «keinen regulatorischen Grund den Präsenzunterricht nicht wiedereinzuführen».
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) stützt diese Ansicht: «Es ist denkbar, dass Universitäten selber den Zugang auf geimpfte, genesene und getestete Personen einschränken. Dies liegt in ihrer Kompetenz, wobei zu berücksichtigen ist, ob es sich um staatliche oder private Einrichtungen handelt.» Bei den Lehrpersonen ist der baldige Semesterstart ebenfalls ein Thema. Professor Dominique de Quervain löste Wirbel aus, als er sagte, keine Vorlesungen zu halten, solange ungeimpfte Studierende, die nicht negativ getestet sind, zugelassen seien.
De Quervain bleibt bei seiner Aussage und kritisiert die Behörden: «Der Bund scheint in erster Linie die schweren Verläufe, die zu Spitaleinweisungen führen, auf dem Radar zu haben. Für Studierende steht jedoch das Risiko von Long Covid im Vordergrund.» Das Risiko bestehe auch für Geimpfte, denn sie seien trotz Impfung vor einer milden Infektion mit nachfolgendem Long Covid nur teilweise geschützt.
Gerade für Studierende würden die langanhaltenden neurologischen Symptome wie Konzentrations- und Gedächtnisstörungen ein grosses Problem darstellen. «Ich sehe es als meine Pflicht, die Bildung für alle in einem sicheren Rahmen zu offerieren – das ist derzeit Online», so de Quervain.