Wie umgehen mit ungeimpftem Pflegepersonal? Die Frage wird kontrovers diskutiert. Der Bund will, dass die Kantone eine Testpflicht einführen. Diese wurden davon überrascht und geben sich zurückhaltend. In vielen Heimen wird ohnehin schon getestet.
Der Bundesrat will aktuell nichts von Lockerungen der Coronamassnahmen wissen. Im Gegenteil. Er hat neue Empfehlungen an die Kantone gemacht. Eine betrifft das ungeimpfte Gesundheitsfachpersonal. Für sie soll es künftig eine Testpflicht geben, um zu verhindern, dass das Virus in die Einrichtungen gelangt.
Pflegepersonal, das sich nicht impfen lassen will, ist Gegenstand kontroverser Diskussionen. So fordert etwa die Luzerner Mitte-Ständerätin Andrea Gmür für diese Berufsgruppe ein Impfobligatorium, wie es etwa auch die Nachbarländer Frankreich und Italien kennen. Der grünliberale Parteipräsident Jürg Grossen wiederum will die Ungeimpften mit einem Impf-Sticker erkennbar machen.
Der Bund wählt mit der Testpflicht für ungeimpftes Pflegepersonal ein sanfteres Mittel zum Schutz von vulnerablen Personen. Für Roswitha Koch vom Schweizerischen Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner macht eine Testpflicht Sinn, um die Patienten maximal zu schützen. Es dürfe aber nicht sein, dass damit der Impfdruck auf das Pflegepersonal erhöht werde.
Eine Testpflicht in Heimen und Spitäler ist nicht neu. Seit Januar übernimmt der Bund auch die Kosten dafür. Obligatorisch testen lassen muss sich etwa das Personal in Zürcher Heimen und Spitälern – bereits seit April. In vielen anderen Kantonen wird das Gesundheitspersonal ebenfalls getestet, allerdings ohne Anweisung der Behörden. Im Kanton Thurgau etwa engagieren sich 63 Prozent der Pflegeheime mit 79 Prozent der Pflegeheimplätze beim freiwilligen Testen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Offen ist also die Frage, ob es überhaupt ein Obligatorium braucht. Der Kanton Uri hat bereits Mitte Juli eine Testempfehlung an die Gesundheitsinstitutionen erlassen. Solothurn schon länger: «Das repetitive Testen empfehlen wir bereits seit Frühling 2021. Die Frage ist, ob man diese Einzelmassnahme obligatorisch erklären muss. Wichtig ist es unseres Erachtens, ein wirkungsvolles Gesamtpaket aller Schutzmassnahmen weiterzuführen», sagt Kantonsarzt Lukas Fenner. Viele Kantone klären derzeit ab, wie sie auf die Empfehlung des Bundes reagieren wollen. Sie kam offenbar überraschend.
Der Luzerner Gesundheitsdirektor Guido Graf unterstützt es, dass alle Gesundheitsinstitutionen repetitive Tests so anbieten müssen, dass sich das ganze Personal auf einfache Art regelmässig testen lassen kann. Er hält es aber für nötig, dass allfällige Massnahmen national möglichst einheitlich erfolgen.
Klar reagiert der Kanton Bern. «Das Testen ist zwar nur eine Übergangslösung, aber wir fordern diese dringlich, um möglichst Covid-freie Zonen zu schaffen», sagt Gundekar Giebel, Sprecher der Gesundheitsdirektion. Der Schlüssel sei aber das Impfen: «Wir fordern die Heime zudem regelmässig auf, ihr Personal für das Impfen zu sensibilisieren.» Auch Basel-Stadt arbeitet daraufhin, die Impfquote zu erhöhen: «Wir wollen die noch nicht geimpften Menschen für die Impfung gewinnen, indem wir darauf hinweisen, dass die Nutzen-Risiko-Analyse ganz klar für die Impfung spricht», schreibt die Gesundheitsdirektion. Ungeimpftes Personal solle sich regelmässig testen lassen können. Der Kanton Basel-Stadt sieht dabei aber die Arbeitgeber – sprich die Heime – in der Pflicht. Obwalden ist noch daran, die Bundesempfehlung zu prüfen, zeigt aber Vorbehalte: «Grundsätzlich sind wir der Ansicht, dass tendenziell nicht der Druck auf einzelne Mitarbeitende erhöht, sondern besser auf das Impfangebot für noch nicht geimpfte Personen im Gesundheitswesen aufmerksam gemacht werden soll.»
Druck auf das Pflegepersonal macht das jurassische Kantonsspital. Ungeimpfte Angestellte bekommen nur noch 80 Prozent des Lohnes, wenn sie in die Quarantäne müssen. Das Spital begründet die Massnahme damit, dass nur 50 Prozent des Personals geimpft sei. Roswitha Koch hält davon nichts. Entscheidend sei eine gute Kommunikation, dass man die Ängste der Pflegenden ernst nehme und gut informiere. Dass dies funktioniert, zeigen die Solothurner Spitäler. Dort hat sich über 80 Prozent des Pflegepersonals impfen lassen.