Corona in Kosovo
Eine Kennerin sagt, weshalb die Kritik an der kosovarischen Coronapolitik zu kurz greift

Die Fallzahlen in Kosovo steigen seit den Sommerferien stark. Nun zieht die Regierung die Schraube an und hofft auf genügend Impfstoff. Kosovo-Kennerin Barbara Burri ordnet die Situation ein.

Chiara Stäheli
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Der kosovarische Premierminister Albin Kurti wurde im März geimpft. Er gehört damit zu jenen 15 Prozent, die in Kosovo bereits eine Impfung erhalten haben.

Der kosovarische Premierminister Albin Kurti wurde im März geimpft. Er gehört damit zu jenen 15 Prozent, die in Kosovo bereits eine Impfung erhalten haben.

Bild: Visar Kryeziu / AP

Die Corona-Taskforce des Bundes sorgte mit dieser Aussage für Aufsehen: Rund ein Drittel aller Hospitalisierten, deren Ansteckungsort bekannt ist, hat sich in Kosovo oder Nordmazedonien mit dem Coronavirus angesteckt. Dies ist seit vergangener Woche bekannt. Und nun wurde publik, dass ausgerechnet einer der bekanntesten kosovarisch-stämmigen Schweizer, Granit Xhaka, am Coronavirus erkrankt ist.

Praktisch keine Einschränkungen im Sommer

Der Schluss liegt nahe, dass die hohen Fallzahlen und die vielen infizierten Reiserückkehrer aus Kosovo und Nordmazedonien auf die zahlreichen Familienbesuche während der Sommerferien zurückzuführen sind. Diese Folgerung greife allerdings zu kurz, so Barbara Burri. Die Autorin einer Studie über die kosovarische Diaspora in der Schweiz ist mit einem Mann aus Kosovo verheiratet und wohnte viele Jahre in dem Land. Sie hat sich selbst diesen Sommer mehrere Wochen in Kosovo aufgehalten.

Für Burri ist klar, dass die Schuld an den hohen Infektionszahlen nicht diskussionslos den Kosovarinnen und Kosovaren zugeschoben werden darf: «Die Verfügbarkeit der Impfstoffe hat die Situation in Kosovo stark beeinflusst. Bis vor kurzem waren noch keine oder viel zu wenige Impfstoffe vorhanden.»

Die aktuell hohen Infektionszahlen seien auch darauf zurückzuführen, dass im Juli und August in Kosovo die Regeln gelockert wurden. In den letzten beiden Monaten waren Massnahmen zur Eindämmung des Coronavirus in Kosovo praktisch inexistent. Es ist anzunehmen, dass diese Tatsache die Verbreitung des Virus stark begünstigt hat.

Die Massnahmen in Kosovo wurden per Ende August verschärft: Aktuell muss im Freien eine Maske getragen werden, die Innengastronomie bleibt geschlossen, private Veranstaltungen sind verboten, und von zehn Uhr abends bis fünf Uhr morgens gilt eine Ausgangssperre.

Bis Ende Jahr sollen 70 Prozent geimpft sein

Mittlerweile sind auch in Kosovo Impfstoffe vorhanden. Die Impfquote liegt aber erst bei rund 15 Prozent. Die kosovarische Präsidentin Vjosa Osmani appelliert nun aktiv zum Impfen. Sie sagte gegenüber SRF: «Ich mache alles, was in meiner Macht steht, um alle davon zu überzeugen, sich impfen zu lassen.»

Osmani rechnet damit, dass bis zum Jahresende 70 Prozent der kosovarischen Bevölkerung geimpft sein werden. Im Moment werde sehr schnell geimpft, dies funktioniere aber nur mit der Unterstützung der Partnerländer, damit langfristig genügend Impfstoff vorhanden sei. Denn die Bereitschaft der Bevölkerung, sich impfen zu lassen, sei vorhanden, so Osmani weiter.

Auch Barbara Burri ist überzeugt, dass die Impfskepsis bei Kosovaren nicht höher ist als bei Schweizern: «In meinem Umfeld erkenne ich kaum Unterschiede zwischen der Impfbereitschaft meiner Schweizer Freunde und jenen aus Kosovo.» Die Massnahmen wurden ihrer Ansicht nach – vor allem während des ersten Lockdowns – in Kosovo gar strikter eingehalten als in der Schweiz. «Die Menschen in Kosovo sind sich bewusst, dass sie wegen des schlecht funktionierenden Gesundheitswesens einem höheren Risiko ausgesetzt sind», so Burri.