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Schweiz
Die Stimmung im Bundeshaus gleicht der Ruhe vor einem Sturm. Das Coronavirus bestimmt die Wintersession in Bern.
Punkt 15 Uhr nahm am Montag SVP-Nationalrat Andreas Aebi auf dem Sitz des höchsten Schweizers Platz, wo er jetzt ein Jahr lang thronen wird. Der Berner Bauer, ein Mann vom linken SVP-Flügel, war sichtlich gerührt, er sagte in seiner Antrittsrede, dass er sein Präsidialjahr unter das Motto Zusammenhalt, Zuversicht, Zufriedenheit stellen will.
Aber dieses Präsidialjahr ist nicht wie andere, jedenfalls der Beginn nicht. Es gibt keine Wahlfeier im Bundeshaus, keine Wahlfeier im Heimatkanton Bern, nicht einmal die Schulklasse aus seinem Emmentaler Dorf, die Aebi in den Nationalratssaal einladen wollte, durfte anreisen.
Nicht besser erging es im Ständerat Alex Kuprecht (SVP/SZ), der anstelle von Hans Stöckli (SP) auf dem «Bock» Platz nahm. Die Gewählten freuten sich trotzdem, so auch die zur ersten Vizepräsidentin gekürte Nationalrätin Irène Kälin (Grüne/AG). Da gabs einen Anflug von Heiterkeit.
Ansonsten wirkt die Stimmung in der anlaufenden Wintersession ernsthaft und gedämpft, wie eine Art Ruhe vor dem Sturm. Es gibt keine Diskussionen mehr über Masken, alle tragen sie jetzt wie selbstverständlich, viele auch noch hinter den Plexiglasscheiben an den Sitzplätzen. Nur ein einziger der 246 National- und Ständeräte ist erklärtermassen wegen Covid abwesend: SP-Ständerat Christian Levrat, der positiv getestet worden ist. Die Parlamentsdienste haben derzeit keine Informationen über allenfalls weitere betroffene Politiker.
Abstimmen kann nur, wer persönlich im Bundeshaus anwesend ist. Die Staatspolitische Kommission des Ständerats verhinderte haarscharf, dass via Internet auch Parlamentarier abstimmen können, die sich in Quarantäne begeben mussten. Das kann weitreichende Folgen haben. Bei der Abstimmung über die «Ehe für alle» etwa, heute im Ständerat geplant, gehe es um etwa zwei Stimmen, sagt Cédric Wermuth, Co-Chef der SP. Fällt hüben oder drüben coronabedingt jemand aus, ist das vielleicht entscheidend.
Beinahe wäre das bereits passiert. Maja Graf, grüne Ständerätin aus dem Baselbiet, liess sich soeben auf Corona testen, weil sie Erkältungssymptome hatte. Sie testete negativ, sie hätte sonst ihre erste Session seit 19 Jahren verpasst.
Dass die dreiwöchige Wintersession ordentlich über die Bühne geht, darauf würden derzeit nicht viele wetten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass grössere Gruppen von Parlamentariern in Quarantäne müssen. Über einen allfälligen Abbruch der Session müssten, das steht schon fest, diesmal die Gesamträte entscheiden. Den Entscheid, die Frühjahrssession abzubrechen, konnten noch die Ratspräsidien treffen.
Aber irgendwann wird es wieder aufwärtsgehen. Die neuen Ratspräsidenten hoffen, dass sie ihre Wahlfeiern in der Sommersession nachholen können.