Die Diskussion rund um das CO2-Gesetz dreht sich fast nur um die Kosten für den Einzelnen und nicht um die Klimaschäden bei einem Nein. Verhaltensökonom Björn Bartling erstaunt dies nicht. Er sagt: Der Mensch hat Mühe, wenn die Vorteile von Entscheiden erst in der Zukunft zum Tragen kommen.
Die Befürworter des CO2-Gesetzes sagen: Bei der Abstimmung geht es um die Zukunft des Planeten. Trotzdem dreht sich die Diskussion fast nur ums Portemonnaie, ob jetzt jemand pro Jahr 30 oder 300 Franken mehr bezahlen muss. Überrascht Sie dies?
Björn Bartling: Zunächst nicht. Die Kosten fallen ab sofort an und sind klar ersichtlich; die Vorteile für die globale Umwelt sind weniger fassbar. Sie liegen in der Zukunft.
Der Mensch entscheidet sich also eher für das Unmittelbare als für etwas, das in der Zukunft liegt?
Wir wissen aus der Forschung: Es gibt eine Tendenz, die Gegenwart überzubetonen. Wenn Menschen vor der Entscheidung stehen, einen Apfel in vier Wochen oder zwei Äpfel in fünf Wochen zu bekommen, dann sind viele bereit zu warten, um die zwei Äpfel zu bekommen. Vergeht dann ein Monat und die Entscheidung lautet: Ein Apfel heute oder zwei Äpfel in einer Woche, dann wird oft der eine Apfel heute den beiden Äpfeln in einer Woche vorgezogen. Es ist eine fehlende Willenskraft beobachtbar, auf die unmittelbare Belohnung zu verzichten. Und dann gibt es noch einen weiteren Aspekt.
Bitte.
Die positiven Wirkungen auf die Umwelt sind, wie erwähnt, schwerer fassbar. Aus der Forschung weiss man, dass Menschen solche Unsicherheiten als Ausrede heranziehen, um die eigene Inaktivität zu rechtfertigen. Man sagt sich: Es ist nicht so ganz klar, was dies bringt. Dies kennen wir von Spenden: Wenn nicht klar ist, wie genau sie verwendet werden, rechtfertigt man damit das eigene Nichtspenden.
Unter welchen Umständen ist der Mensch eher bereit, auf andere Rücksicht zu nehmen?
Dies ist sehr individuell. Aber wir sehen hier ein grundsätzliches Problem: Ich selbst trage Kosten, aber die Vorteile einer CO2-Reduktion bekomme nicht nur ich. Alle profitieren davon, auch die, die nichts dazu beitragen – sogenannte Trittbrettfahrer. Je mehr Leute freiwillig mitmachen, umso eher bin ich auch bereit, mitzumachen. Wenn andere nicht mitmachen, sinkt die Bereitschaft. Wir hören dieses Argument auch in der Abstimmung: Es heisst, die Schweiz wende Kosten auf, aber andere Länder tun nichts. Wenn jeder dieses Argument bringt, passiert nichts. Letztlich aber brauchen wir einen globalen CO2-Mindestpreis.
Nun kostet die Flugticketabgabe 30 Franken. Hält dieser Betrag wirklich Leute vom Fliegen ab oder müsste die Abgabe nicht höher sein, damit sie «schmerzt»?
Wenn der Preis steigt, kann man davon ausgehen, dass die Nachfrage sinkt. Um wie viel, dürften die Fluggesellschaften sehr genau wissen. Aber es geht gar nicht darum, dass es jemanden schmerzt. Es geht darum, einen Preis festzulegen, der die wahren Kosten abbildet.
Das heisst?
Die Problematik der CO2-Bepreisung geht auf einen fundamentalen Marktfehler zurück: Bei vielen Produkten, die zu CO2-Emissionen führen, ist der Preis nicht korrekt. Wenn ich fliege oder Auto fahre, bürde ich anderen Personen Kosten auf, die ich nicht tragen muss. Diese Güter verursachen also externe Kosten bei Personen, die das Gut nicht konsumieren. Ohne zusätzliche CO2-Bepreisung ist der Preis also zu niedrig. Die CO2-Bepreisung ist die ökonomisch sinnvolle Art und Weise, den Markt zu korrigieren. Wenn Marktfehler vorliegen, hat der Staat die Aufgabe, dies zu korrigieren und den Markt in Funktion zu bringen. Es ist genau das Gegenteil des Ausschaltens von Markt.
Wo liegt denn der richtige Preis?
Dies ist schwer zu bestimmen. Aber der derzeitige Preis dürfte viel zu niedrig sein. Der Preis für ein Gut soll sämtliche Kosten widerspiegeln, die mit der Produktion verbunden sind. Man darf nicht verschweigen, dass die Güter teurer werden. Das ist das Ziel, weil die tatsächlichen Kosten widergespiegelt werden sollen. Es ist auch die Aufgabe von Politikern und Gesetzgebern, zukünftig lebende Menschen im Blick zu haben. Sie können sich bei Entscheiden über langfristige Probleme heute ja nicht einbringen.
Man hört das Argument: «Es kommt schon gut, auch ohne Regeln.» Kann es sein, dass der gesellschaftliche Druck mehr wirkt als finanzielle Anreize?
Soziale Normen können den Energieverbrauch beeinflussen: Wir wissen aus den USA, dass Leute weniger Energie verbrauchen, wenn sie erfahren, wie viel Energie vergleichbare Haushalte nutzen. Sinnvolle gesellschaftliche Normen können hilfreich sein, aber das allein genügt nicht. Entscheidend ist, dass externe Kosten eingepreist werden.
Das heisst: Wenn ich mich vor meinen Kollegen schämen muss, dass ich so viel fliege, dann höre ich auf.
Aus ökonomischer Sicht geht es darum, den Preis zu finden, der sämtliche Kosten deckt. Wenn dieser Preis richtig ist, gibt es kein Flugshaming mehr, weil alle Schäden eingerechnet und abgegolten sind.