Der als "Carlos" bekannt gewordene Zürcher Jugendstraftäter muss erneut ins Gefängnis. Das Bezirksgericht Zürich hat ihn am Montag wegen versuchter schwerer Körperverletzung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren verurteilt.
"Carlos" wurde beschuldigt, Ende März 2016 beim Aussteigen aus dem Tram einem flüchtigen Bekannten unvermittelt mit der Faust ins Gesicht geschlagen zu haben. Dieser brach sich dabei den Kiefer und erlitt weitere Verletzungen.
Die Staatsanwaltschaft forderte deshalb für den kampfsporterfahrenen 21-Jährigen wegen versuchter schwerer Körperverletzung eine Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren. Die Verteidigung wollte maximal 12 Monate für einfache Körperverletzung.
"Carlos", der momentan in der Justizvollzugsanstalt Pöschwies sitzt, berief sich in seinen Aussagen auf Notwehr. Vor Gericht wollte er sich zum Vorfall allerdings nicht mehr äussern - ausser dass sich angegriffen gefühlt habe und seinen Gegner abwehren wollte.
Für den Staatsanwalt ist "Carlos" zwar kein "Vollpsychopath", er habe aber ein gröberes Problem und sei psychisch krank. "Das grösste Problem ist dabei, dass er das nicht einsieht und sich nicht helfen lassen will." "Carlos" nehme gemäss einem psychiatrischen Gutachten seine Umwelt als Bedrohung wahr und habe immer das Gefühl, sich wehren zu müssen.
So sah es der 21-Jährige auch beim Vorfall von Ende März 2016. Er berief sich in seinen Aussagen auf Notwehr. Vor Gericht selber wollte er sich zum Vorfall nicht mehr äussern, ausser dass er sich angegriffen gefühlt habe und seinen Gegner abwehren wollte.
Der Staatsanwalt brachte zudem das Thema "Verwahrung" auf, denn mit einer simplen Freiheitsstrafe - "egal wie hoch" - sei es nicht getan. Im vorliegenden Fall sei eine Verwahrung aber nicht verhältnismässig, denn "Carlos" habe seit 5 Jahren kein vorsätzliches Gewaltdelikt mehr verübt.
Auch könne er nichts dafür, dass er der bekannteste Straftäter der Schweiz sei. "Bei einer anderen Person wäre eine Verwahrung gar kein Thema", sagte der Staatsanwalt. Er sprach an die Adresse von "Carlos" dennoch eine Warnung aus: Wenn es nochmals zu einem solchen Vorfall kommen sollte, müsse eine Verwahrung geprüft werden.
Der Verteidiger forderte derweil weniger: Sein Mandant sei wegen einfacher Körperverletzung mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr zu bestrafen. "Mein Mandant hat von Anfang an gestanden, ihm einen Faustschlag versetzt zu haben", sagte der Verteidiger.
Die Verteidigung sieht lediglich eine leichte Körperverletzung. "Mein Mandant fühlte sich angegriffen und bedroht. Er sah die aggressive Körperhaltung seines Gegenübers", sagte der Verteidiger.
Er stützte sich dabei auch auf die Aussagen einer Zeugin und gewichtete ihre Beobachtungen höher als die des Freundes des Opfers. Die Frau habe ausgesagt, dass es bereits im Tram zu einem Gerangel gekommen sei.
In der Folge "stürchelten" Carlos und der Geschädigte aus dem Tram, wo ihm "Carlos" einen Faustschlag versetzte. "Der Schlag traf ihn also nicht unvorbereitet. Sie waren bereits in einem Gerangel", sagte der Verteidiger.
Es sei ausserdem ein impulsiver Schlag in einer Bedrohungssituation gewesen. "Hätte er ihn ernsthaft verletzten wollen, dann hätte er nachgeschlagen."
Der Schlag ist laut Verteidiger auch nicht allzu heftig ausgefallen. Er stützte sich dabei erneut auf die Aussagen der Zeugin, die sagte, dass das Opfer nicht bewusstlos gewesen sei und bereits wieder stand, als das Tram losfuhr. Zudem habe der Geschädigte erst am Abend nach einem Gespräch mit dem Vater eine Anzeige eingereicht und sei zum Arzt gegangen.
"Carlos" sehe ein, dass er falsch gehandelt habe und bedaure seine Tat. Trotz dieses Rückfalls sieht der Verteidiger insgesamt eine erfreuliche Entwicklung seines Mandanten. Für die Zeit nach der Entlassung seien deshalb auch bereits Massnahmen in Planung, damit der heute 21-Jährige seine Schulbildung nachholen kann.
(6.3.2017)