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Schweiz
Der mit Stalking-Vorwürfen konfrontierte Walliser CVP-Nationalrat Yannick Buttet lässt sich krankschreiben. Parteichef Gerhard Pfister wartet ab.
Man könnte meinen, Gerhard Pfister sei soeben in den Bundesrat gewählt worden. Oder er habe wenigstens seine Kandidatur für die Nachfolge von Doris Leuthard erklärt. Doch nichts dergleichen. Von Dutzenden Journalisten, Kameraleuten und Fotografen umringt, steht der CVP-Präsident in einer Ecke der Wandelhalle im Bundeshaus und erklärt seelenruhig einen Nicht-Entscheid: Der Walliser Nationalrat Yannick Buttet wird weder aus der Partei ausgeschlossen, noch wird ihm der Rücktritt aus dem Nationalrat nahegelegt. «Sein Verhalten ist inakzeptabel», sagt Pfister zwar. «Aber auch für ihn gilt die Unschuldsvermutung.»
Solange Buttet sich nicht vor der Parteileitung erklärt habe, könne und wolle er keine Entscheide fällen, so Pfister. Bloss: Buttet will momentan nicht antraben. Nicht nur ignoriert er die Vorladung. Er lässt sich auch gleich für mehrere Wochen krankschreiben. Schon am Montagnachmittag nimmt der 40-Jährige nicht mehr an den parlamentarischen Beratungen teil. «Wenn sich ein Arbeitnehmer krankschreiben lässt, hat der Arbeitgeber dies zu akzeptieren», sagt Pfister. «In einer Partei ist das genauso.»
Am vergangenen Donnerstag berichtet die Zeitung «Le Temps» über eine Klage gegen Buttet wegen Stalkings, nachdem die Walliser Polizei in Siders hatte ausrücken müssen. Dort soll der CVP-Politiker mitten in der Nacht derart lange bei seiner Ex-Geliebten geklingelt haben, bis die Frau die Polizei rief. In den Tagen nach der Enthüllung kommuniziert Buttet betont defensiv: Nach einer ersten, kurzen Erklärung stellt er sich bei weiteren Anfragen auf den Standpunkt, es sei alles gesagt.
Über das Wochenende aber denkt Buttet, mittlerweile beraten von Anwalt Andreas Meili, um: Wenige Stunden bevor er beim Parteivorstand antraben müsste, geht er in die Offensive und lässt Meili – der 2014 den Aargauer Grünen-Nationalrat Geri Müller in der «Nacktselfie-Affäre» beriet – ein Pressecommuniqué verschicken. «Ich möchte mich zutiefst bei meiner Frau und meiner Familie und bei den Menschen entschuldigen, die durch mein unangemessenes Verhalten verletzt wurden, auch bei meinen Parteikollegen», beginnt dieses. Eine demütige Entschuldigung also, doch kein vollständiges «mea culpa»: Denn – und in solchen Fällen lässt die genaue Wortwahl oft tief blicken – Buttet schreibt nicht, er habe die erwähnten Personen verletzt. Vielmehr wählt er die passive Formulierung: Familie, Menschen und Parteikollegen seien verletzt worden.
Auch ein weiterer Satz im Communiqué lässt daran zweifeln, ob Buttet wirklich die Verantwortung für sein Handeln übernimmt. Er werde sich «in eine ärztliche Kur begeben, um meinen Alkoholkonsum in den Griff zu bekommen», schreibt er. Nach seiner Genesung werde er dann mit seiner kantonalen Partei absprechen, ob er sein Mandat als Nationalrat wieder aufnehmen solle. Hinter vorgehaltener Hand kritisiert am Montagnachmittag der eine oder andere Parlamentarier, Buttet wolle sich vom Täter zum Opfer machen.
Namentlich zitieren lassen will sich kaum ein CVPler. Die meisten verweisen auf Pfister, der die Kommunikation in der Causa Buttet zur Chefsache erklärt hat. Die Oberwalliser Nationalrätin Viola Amherd, die man mit der Begründung zu einer Aussage zu drängen versucht, sie sei aus demselben Kanton wie Buttet, sagt lapidar und doch vielsagend: «Ich kann weder für alle Walliser noch für alle Männer Verantwortung übernehmen.» Pointiert äussert sich auch die Baselbieter Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter, die schon in der «NZZ am Sonntag» sagte, sie sei persönlich der Meinung, dass Buttet sein Amt niederlegen müsse. «Dabei bleibe ich», wiederholt sie.
Mit der Affäre Buttet wird auch der bei vielen Politikern überdurchschnittliche und teilweise besorgniserregend hohe Alkoholkonsum wieder zum Thema. Unter dem Titel «Politik und Promille im Bundeshaus» hatte die «Weltwoche» vor zwei Jahren unter anderem über die sogenannte «Weisswein-Fraktion» berichtet, der vor allem bürgerliche Männer angehören würden, und protokolliert, an welchen Lobby-Veranstaltungen es während einer Session wie viel zu trinken gebe. Der Artikel sorgte damals für gehörigen Aufruhr. Vor allem Politikerinnen bestätigen nun im vertraulichen Gespräch, dass einige ihrer Kollegen häufig zu tief ins Glas schauen würden. «Es ist kein Problem der älteren Generation», sagt eine Nationalrätin. «Auch die Jungen trinken teilweise schon mittags zu viel.»
Ein im Bundeshaus verbreitetes Problem im Umgang mit Alkohol stellt auch der Solothurner SP-Nationalrat Philipp Hadorn fest, der das «Blaue Kreuz» präsidiert, eine christliche Organisation zur Selbsthilfe bei Suchtkrankheiten. Ständig werde einem bei Veranstaltungen Alkohol offeriert, klagt er. «Und leider greifen einige meiner Kollegen beherzt zu.»