SVP-Bundesratsanwärter Norman Gobbi spricht im Interview über die Svizzera italiana, sein Image als Rassist, das Verhältnis zur EU und weshalb ihm das Leventina-Tal Kraft und Ausdauer gibt.
Norman Gobbi, 1977 in Faido geboren, wuchs in Ambri in der oberen Leventina auf. Der in Kommunikationswissenschaften und Marketing diplomierte Gobbi wurde 1996 Mitglied der Gemeindelegislative seines Bürgerortes Quinto. 1999 wurde er in den Grossen Rat des Kantons Tessin gewählt, den er ab Mai 2008 für ein Jahr präsidierte. Am 1. März 2010 rückte er für Attilio Bignasca in den Nationalrat nach. Am 10. April 2011 wurde er in die Tessiner Regierung gewählt. Norman Gobbi, Major der Schweizer Armee, ist verheiratet und Vater von zwei kleinen Kindern.
Norman Gobbi: Leider nein. Ich verfolge die Resultate, aber als Regierungspräsident fehlt mir die Zeit, um an die Spiele zu gehen. Das bedaure ich, denn der HCAP hat die gleiche integrierende Kraft in der Region, wie die italienische Schweiz in der Eidgenossenschaft – zum Beispiel zwischen der Romandie und der Deutschschweiz.
Ja, natürlich. Er ist mein Cousin. Sie sehen, unsere Familie baut auch Brücken in die Romandie. (Lacht.)
Ja, wir Leventiner müssen uns besonders anstrengen, wenn wir etwas erreichen wollen. Oft werden wir auch unterschätzt. Das ist mir in meinem Leben mehrmals passiert. Aber das Tal gibt uns Kraft und Ausdauer.
Die Lega dei Ticinesi hat eine soziale Ader. Das ist im Tessin auch nötig. Die Löhne sind hier 20 Prozent tiefer als in der übrigen Schweiz. Die Konkurrenz durch Grenzgänger ist gross. Der Norman Gobbi, der im Tessin politisiert, ist jedoch bürgernäher als auf Bundesebene.
Am 9. Dezember wählt die Vereinigte Bundesversammlung die sieben Mitglieder der Landesregierung. Mit Doris Leuthard (CVP), Simonetta Sommaruga und Alain Berset (beide SP), Didier Burkhalter und Johann Schneider-Ammann (beide FDP) sowie Ueli Maurer (SVP) stellen sich sechs bisherige Bundesräte der Wiederwahl. Nach dem Rücktritt von BDP-Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf erhebt die SVP Anspruch auf einen zweiten Sitz. Sie schlägt dem Plenum den Tessiner Norman Gobbi, den Zuger Thomas Aeschi und den Waadtländer Guy Parmelin vor. Die «Nordwestschweiz» lässt die drei Kandidaten in einer Interviewserie zu Wort kommen. Den Auftakt bestreitet der Tessiner Gobbi. Lesen Sie morgen Mittwoch das Gespräch mit Thomas Aeschi und am Donnerstag jenes mit Guy Parmelin.
Als Bundesrat muss ich zwischen den Bedürfnissen des Bundes und den Bedürfnissen des Tessins unterscheiden. Ich teile die Werte der SVP auch in sozial- und wirtschaftspolitischer Hinsicht. Eigenverantwortung steht für mich an oberster Stelle.
Ich weiss nicht, was er mit dieser These bezwecken wollte. Mich verbinden mit der SVP unsere starken, gemeinsamen Werte, allen voran die Freiheit. Sie sind für meine Arbeit im Bundesrat wichtig.
Nein.
Ich bin für eine Flexibilisierung.
Das ist eine kantonale oder kommunale Angelegenheit. Für bestimmte Gruppen, etwa Asylbewerber, sind wir zu grosszügig. Andere wiederum sind auf diese Unterstützung angewiesen. Echt Bedürftigen ist so zu helfen, dass sie aus eigener Kraft wieder aus dem System herausfinden.
Der Strukturwandel lässt sich nicht aufhalten. Immer weniger Leute bezahlen ihre Rechnungen in einer Postfiliale. Insofern ist der Abbau eine logische Folge. Andererseits gehört zur Schweiz auch ein starker Service public. Das ist ein gewisses Spannungsfeld.
Wir müssen auf jeden Fall selbstbewusster auftreten. Die Schweiz ist eine wichtige Partnerin für die EU. Es braucht mehr Respekt. Manchmal habe ich das Gefühl, die EU ist zu gross für kleine Staaten wie die Schweiz.
Das streben wir nicht an, aber es könnte eine Konsequenz sein. So weit sind wir ja noch nicht. Die Schweiz braucht mehr Luft. Das muss die EU anerkennen. Ich bin zuversichtlich, dass sie dies tun wird. Wir sind nicht das einzige Land in Europa, das die Migration reduzieren möchte. Die Personenfreizügigkeit ist für immer mehr Staaten ein Problem. Vergessen wir nicht: Die Schweiz ist bedeutend. Der Kanton Tessin ist mit 62'000 Grenzgängern der grösste private Arbeitgeber für Italiener. Bedeutender als Fiat.
Nein, auf keinen Fall.
Und das Efta-Gericht?
Auch nicht. Akzeptabel ist nur eine Streitschlichtung, die dem heutigen Verfahren im gemischten Ausschuss ähnelt. Eine Art Schiedsgericht. Wir wollen keine fremden Richter.
Das werden wir sehen. Die EU hat ein Interesse an guten Beziehungen mit der Schweiz.
Der Bund sollte diese Frage den Kantonen überlassen. Die Ausgangslagen sind zu unterschiedlich. In Genf gibt es andere Probleme als im Tessin oder in der Ostschweiz. Ich plädiere deshalb für föderale Lösungen.
Ja. Das Völkerrecht ist für ein kleines Land wichtig. Es regelt das Verhältnis der Staaten untereinander. Doch hier geht es nicht ums Völkerrecht. Es geht darum, die direkte Demokratie zu schützen und den Volkswillen zu respektieren.
Nein. Ich überhöhe nichts. Und ich foutiere mich auch nicht ums Völkerrecht. Die Bundesverfassung setzt Volk und Kantone zuoberst. Das unterscheidet uns und damit ist unser Land auch immer gut gefahren. Die direkte Demokratie ist ein Erfolgsfaktor! Dafür will ich mich einsetzen. Wer die direkte Demokratie respektiert, mischt sich nicht ständig in unsere Rechtsprechung ein.
Nein. Das ist nicht mein Stil.
Das war eine Jugendsünde. Ich habe mich damals in aller Form beim Spieler wie auch beim HC Lugano entschuldigt. Niemand im Tessin hat mir diese Sache nachgetragen.
Eine Gruppe Roma hatte im Tessin eine Autobahnraststätte verwüstet. Das hat mich sehr verärgert. Ich würde mich heute nicht mehr so ausdrücken, wie das damals der junge Grossrat Gobbi tat, der die Aufmerksamkeit der Medien suchte.
Winston Churchill. Er hatte einen starken Charakter.
(Lacht). Berlusconi hat Italien mehr geschadet als genützt. Von seiner Regentschaft bleibt nicht viel übrig.
Seit 16 Jahren ist die Svizzera italiana nicht mehr in der Regierung vertreten, obwohl unsere Bundesverfassung die Vertretung der italienischen Schweiz im Bundesrat vorsieht.
Ist die Bundesverfassung nicht normal? Die Zeit ist reif für einen Vertreter der italienischen Schweiz. Die Tessiner sind Patrioten. Liberi e svizzeri. Wir sind frei und Schweizer. Um dieses Zugehörigkeitsgefühl zu stärken, braucht es jetzt wieder einen Tessiner Bundesrat, auch im Interesse des ganzen Landes.
Die Lega ist tatsächlich eine Regionalpartei. Sie nimmt die Anliegen der Tessiner ernst und setzt sich für sie ein. Das wird von den Wählen seit Jahren honoriert. Auf Bundesebene sind unsere Abgeordneten seit 2003 Teil der SVP-Fraktion. Wir teilen viele gemeinsame Werte, darum politisieren wir auch zusammen. Ich politisiere hart, aber stets fair im Umgang. Als Staatsrat übernehme ich seit Jahren Verantwortung und arbeite kollegial in der Exekutive mit. Ich finde, das spricht für mich als Kandidat.