Eveline Widmer-Schlumpf warnt vor der Energiesteuer-Initiative der Grünliberalen und erklärt, weshalb auch sie die Preise für Benzin, Strom und Heizöl erhöhen will.
Eveline Widmer-Schlumpf: Leider nein (lacht). Was ich sagen kann: Unsere Familie lebt sehr stromsparend. Wir löschen das Licht, wenn wir nicht mehr im Raum sind, wir stellen den Computer ganz ab und wir haben eine Wärmepumpe mit Erdsonde, keine Ölheizung.
Die Initiative hat eigentlich das richtige Ziel: Man will von der Kernkraft wegkommen, nicht erneuerbare Energie insgesamt reduzieren und die erneuerbaren Energien stärken. Indem man diese Ziele jedoch mit der Abschaffung der Mehrwertsteuer koppelt, überfrachtet man die Initiative. Die Mehrwertsteuer spült heute 35 Prozent unserer Einnahmen in die Bundeskasse, rund 23 Milliarden Franken. Diese Einnahmen können Sie nur ersetzen, indem Sie die nicht erneuerbaren Energien enorm stark belasten. Das ist kaum realistisch.
... ich nehme diese Initiative sehr ernst!
Das hängt von der Höhe der Energiesteuer ab. Um mit der Energiesteuer die gleichen Einnahmen wie mit der Mehrwertsteuer zu erzielen, wären sehr hohe Steuersätze notwendig, die für die Erreichung der Klima- und Energieziele gar nicht nötig sind. Bei solch hohen Steuersätzen ist eine starke Verbrauchsreduktion zu erwarten. Man muss sich fragen, wer diese Lasten dann trägt. Die meisten Haushalte geben ähnlich viel Geld aus für nicht erneuerbare Energie wie beispielsweise Benzin oder Heizöl. Prozentual fällt der Betrag bei Haushalten mit tiefem Einkommen jedoch viel stärker ins Gewicht als bei Haushalten mit höherem Einkommen.
Man müsste den Energiesteuer-Satz sehr stark erhöhen, um den Einnahmenausfall aus der Mehrwertsteuer zu kompensieren. Vor allem Randregionen kämen dadurch in eine sehr schwierige Situation. Wir rechnen damit, dass sich der Strom aus Kernkraft um 33 Rappen pro Kilowattstunde verteuern würde und damit nicht mehr konkurrenzfähig wäre. Dadurch verkleinert sich die Steuerbasis, was dazu führt, dass der Benzinpreis bei einer Annahme der Initiative schätzungsweise um drei Franken pro Liter steigt, das Heizöl um Fr. 3.30.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Parlament bereit wäre, den Benzinpreis um mehr als drei Franken zu verteuern. Es wird immer Leute geben, die auf ein Auto angewiesen sind.
Klar, den Menschen, die im Safiental oder im Lugnez wohnen, kann man schlecht sagen, sie sollten auf den öffentlichen Verkehr umsteigen. Um überhaupt zur Arbeit zu kommen oder zum Arzt zu gehen, brauchen sie in der Regel ein Auto. Die Initiative berücksichtigt zu wenig, dass das Leben in den verschiedenen Landesregionen sehr unterschiedlich ist.
Wir planen ein Lenkungssystem, das einerseits aus einer CO2-Abgabe auf Brennstoff und allenfalls auch auf Treibstoff beruht. Andererseits ist eine Stromabgabe vorgesehen. Wir wollen schrittweise vom heutigen Fördersystem für erneuerbare Energien zu einem Lenkungssystem übergehen. Die Vernehmlassung beginnt voraussichtlich im März.
Wir werden in der Vernehmlassung verschiedene Umsetzungsbeispiele aufzeigen. Je nach Variante könnte die Gesamtbelastung – die bestehende CO2-Abgabe mit eingerechnet – bis im Jahr 2030 auf 44 bis maximal 89 Rappen pro Liter Heizöl und bis maximal 26 Rappen pro Liter Benzin steigen. Beim Strom rechnen wir mit maximal 5 Rappen pro Kilowattstunde. Die Beispiele zeigen, wie grosse Lenkungseffekte man erzielen kann. Grundsätzlich gilt: Je mehr man aufschlägt, desto grösser ist der Effekt.
Darüber wird der Bundesrat noch diskutieren. Wichtig scheint mir, dass der Verbrauch insgesamt reduziert werden kann.
Man sollte die Diskussion zumindest einmal führen. Der Umstieg vom Förder- aufs Lenkungssystem muss am Ende von der Bevölkerung mitgetragen werden. Darum werden die Einnahmen der Klima- und Stromabgaben auch an die Bevölkerung und an die Unternehmen zurückverteilt.
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