Berufliche Vorsorge
Bundesrat greift das Geschäft der Vermittler an – Broker-Branche reagiert empört

Der Bundesrat will, dass Makler nicht mehr von den Pensionskassen bezahlt werden. Die Branche reagiert empört. Sie sieht den freien Wettbewerb bedroht und sagt, das System funktioniere.

Doris Kleck
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Eine Studie des Beratungsunternehmens c-alm hat ergeben, dass in der Schweiz jährlich 300 Millionen Franken Provisionen an Makler bezahlt werden. (Symbolbild)

Eine Studie des Beratungsunternehmens c-alm hat ergeben, dass in der Schweiz jährlich 300 Millionen Franken Provisionen an Makler bezahlt werden. (Symbolbild)

Keystone

Die Zinsen sind tief, die Leistungen sinken, die Bevölkerung altert, und die Politik ist reformunfähig: Das Umfeld für die Pensionskassen ist garstig. Nun unternimmt der Bundesrat einen Anlauf, zumindest die Verwaltungskosten der Pensionskassen zu senken und Fehlanreize zu beseitigen. Er nimmt das Geschäft der Vermittler von Vorsorgeleistungen ins Visier. Dies geht aus einer Antwort der Regierung auf einen parlamentarischen Vorstoss hervor.

Um was geht es genau? Die berufliche Vorsorge ist ein komplexes Geflecht. Viele Firmen greifen bei der Wahl einer Pensionskasse deshalb auf die Dienste eines Brokers zurück. Dieser ist ein wichtiger Berater, holt Offerten bei verschiedenen Vorsorgeeinrichtungen ein und vergleicht sie. Dass der Broker eine zentrale Rolle in der beruflichen Vorsorge innehat, ist unbestritten. Abschaffen will ihn niemand. Uneinigkeit herrscht aber darüber, wer für die Dienstleistungen des Maklers bezahlen soll und nach welchem Modell.

300 Millionen pro Jahr

Die Diskussion ist nicht neu, hat in den letzten Jahren aber an Brisanz gewonnen. Ein Grund dafür ist, dass die Zahl der Vorsorgeeinrichtungen stetig sinkt: Von 2307 (2004) auf 1386 (2017). Kleinere und mittlere Unternehmen geben ihre betriebseigenen Pensionskassen auf und schliessen sich Sammel- oder Gemeinschaftseinrichtungen oder Versicherern an. Das gewerkschaftsnahe PK-Netz schätzt, dass mehr als die Hälfte der Erwerbstätigen, rund 2,3 Millionen, keiner betriebseigenen Pensionskasse angehören. Ihre Arbeitgeber müssen sich einer Vorsorgeeinrichtung anschliessen — und hier kommt der Broker ins Spiel.

Eine Studie des Beratungsunternehmens c-alm hat ergeben, dass in der Schweiz jährlich 300 Millionen Franken Provisionen an Makler bezahlt werden. Die Krux an der Geschichte ist: In der Regel bezahlen die Pensionskassen die Entschädigung, die zudem nicht einmalig bei Vertragsabschluss anfällt, sondern jährlich. Sie bemisst sich meistens am Vertragsvolumen, also der Beschäftigtenzahl oder der versicherten Lohnsumme. Dieses Modell, so stellt Roger Baumann, Studienautor und Lehrbeauftragter an der Universität St. Gallen, fest, führt zu Fehlanreizen: Vermittler empfehlen eher jene Anbieter, bei denen sie selbst am meisten profitieren. Oder anders ausgedrückt: «Die Unabhängigkeit des Brokers im üblichen Courtagen-Modell ist infrage gestellt.» Aus Sicht von Urban Hodel, Geschäftsführer beim PK-Netz, führt das Modell zu einem Hyper-Aktivismus, der die Kosten in die Höhe treibt. Alterskapital würde von einer Vorsorgeeinrichtung zur nächsten verschoben wie auf einem Basar, alleine weil die Broker ein finanzielles Eigeninteresse daran haben. Gemäss Hodel sind hohe Provisionen für die Vorsorgeeinrichtungen ein Wachstumsgarant.

Arbeitgeber sollen bezahlen

Bereits im letzten November hatte der Pensionskassenverband ASIP ein neues Entschädigungsmodell gefordert. Der Broker sollte vom Arbeitgeber und nicht mehr von den Pensionskassen bezahlt werden — und zwar nach Aufwand. «So können die Interessen der Versicherten besser gewahrt und die geforderte Transparenz einfacher erreicht werden», schrieb der ASIP. Die Sozialkommission des Nationalrates wollte davon nichts wissen: Sie lehnte einen Antrag der Aargauer CVP-Nationalrätin Ruth Humbel kürzlich knapp ab.

Bürgerliche Politiker und die Wirtschaftsverbände argumentieren, dass kein Handlungsbedarf bestehe. «Die Unternehmen haben ein Wahlrecht, wie die Broker entschädigt werden sollen. Zudem erfordert das Gesetz Transparenz. Das reicht vollkommen», sagt etwa Kurt Gfeller, Vizedirektor beim Schweizerischen Gewerbeverband. Tatsächlich können Broker gemäss der Verordnung schon heute nach Aufwand bezahlt werden. Ein Wahlmodell, das auf Freiwilligkeit basiert, genüge jedoch nicht, schreiben die Berater von c-alm. Denn für die Firmen sei es attraktiver, wenn die Vorsorgeeinrichtungen die Broker finanzieren. Deshalb müsse der Gesetzgeber festlegen, dass die Arbeitgeber die Vermittler bezahlen. Für die Vermittler wiederum sind Vorsorgeeinrichtungen attraktiver, die Provisionen bezahlen. ASIP-Geschäftsführer Hanspeter Konrad sagt: «Aus der Praxis wissen wir: Pensionskassen, die keine Courtagen bezahlen, werden nicht vermittelt.» Die Kritiker des heutigen Systems monieren, dass damit kein fairer Wettbewerb möglich sei.

Zu diesem Schluss kommt nun auch der Bundesrat. In einer Antwort auf eine Interpellation des Walliser SP-Nationalrates Mathias Reynard schreibt die Regierung: Provisionen an Versicherungsmakler seien «nicht im Interesse der Destinatäre und nicht mit dem Vorsorgeziel vereinbar». Der Bundesrat verweist darauf, dass die Leistungen der Broker normalerweise vom Arbeitgeber bezahlt oder erbracht werden müssen. In der beruflichen Vorsorge seien Kommissionen «problematisch»: Dadurch können Fehlanreize entstehen, die «bestehende Verzerrungen in der beruflichen Vorsorge noch verstärken». Der Bundesrat ortet einen Anpassungsbedarf. Er prüft, wie und auf welcher rechtlichen Ebene Änderungen angezeigt sind.

Ein Ablenkungsmanöver?

Erfreut reagiert der ASIP: «Um die Grundlage für einen echten und fairen Wettbewerb zu schaffen, sind regulatorische Anpassungen nötig — im Interesse der betroffenen Betriebe und der Versicherten», schreibt der Verband. Die Broker indes sind konsterniert. Markus Lehmann, Präsident des Verbandes der Versicherungsbroker SIBA und alt Nationalrat (CVP/BS), spricht von einem «Paradigmenwechsel»; der freie Wettbewerb in der beruflichen Vorsorge wäre bedroht. Von Fehlanreizen könne keine Rede sein: «Beim Beratungsgespräch wird die Entschädigung offengelegt, und der Arbeitgeber — mit der paritätischen Kommission — entscheidet. Es ist eine Unterstellung, zu sagen, der Broker vermittle jene Pensionskassen, welche die höchste Provision bezahlen.» Denn der Markt spiele, solch ein Verhalten würde bekannt. Für Lehmann ist die Debatte ein Ablenkungsmanöver: «Die berufliche Vorsorge hat ganz andere Probleme: die Demografie, die tiefen Zinsen, der Umwandlungssatz, die Umverteilung von jährlich 7 Milliarden Franken oder auch der zu hohe Mindestzinssatz. Das sind die wirklichen Probleme — nicht die Entschädigung der Berater.»