Das Bundesgericht nennt die Parteizugehörigkeit seiner Richterschaft nicht mehr. Erstinstanzliche Gerichte schon.
Wer auf der Internetseite des Bundesgerichts nach der Parteizugehörigkeit der Richterinnen und Richter sucht, wird seit einiger Zeit nicht mehr fündig. In den Porträts fehlt der Hinweis auf die politische Gruppierung, der die 38 Richterinnen und Richter angehören und nahestehen.
Im Internet sind die höchsten Richterinnen und Richter alle parteilos. Wer die Parteizugehörigkeit sucht, hat vielleicht bei Wikipedia Glück. So sieht man dort, dass die aktuelle Präsidentin Martha Niquille der CVP angehört (also eigentlich der Mitte-Partei). Oder man muss ins Archiv des Bundesparlaments, das die Richterwahlen durchführt.
Das war nicht immer so kompliziert. Im Juni 2020 beschloss die dreiköpfige Leitung des Bundesgerichts eine Praxisänderung. «Die Partei-Nennung auf der Homepage wurde im Anschluss an den entsprechenden Beschluss der Verwaltungskommission vom 2. Juni 2020 entfernt», sagt Peter Josi, Sprecher des Bundesgerichts. Diese Verwaltungskommission bestand damals aus Präsident Ueli Meyer (SP), Vize Martha Niquille (Die Mitte) und Yves Donzallaz (SVP).
Die Überlegung hinter der Streichung, so der Sprecher weiter, sei folgende gewesen: «Das Bundesrichtermandat wird den Richterinnen und Richtern von der Bundesversammlung auf Antrag der Gerichtskommission verliehen. Dabei handelt es sich um eine politische Wahl.» Allerdings komme dann eine Zäsur: «In der Folge aber fällen die Richterinnen und Richter die Urteile nicht in Abhängigkeit ihrer Parteizugehörigkeit», so der Sprecher. «Dies sollte mit der Streichung der Partei-Nennung auch auf der Homepage des Bundesgerichts klar zum Ausdruck kommen.»
So findet man auf der Seite des Bundesgerichts zwar noch die Parteizugehörigkeit jener gut 200 Richterinnen und Richter, die zwischen der Gerichtsgründung 1848 und Mitte 2020 amtierten. Aber nicht die Parteizugehörigkeit der 38 Mann und Frau starken aktuellen Richterschaft.
Ein Rolle spielte in den Hinterköpfen mit Sicherheit auch die Justiz-Initiative, die am 28. November zur Abstimmung kommt. Ihre Promotoren um Unternehmer Adrian Gasser kritisieren, dass die Richterjobs heute von Partei-Gnaden sind, was die Unabhängigkeit der Justiz gefährde. Daher verlangen sie die Richterwahl per Los. Die fachliche Qualifikation soll entscheidend sein und nicht mehr die Loyalität zu einer Partei.
Parteizugehörigkeit und Parteiverbundenheit: Durch Streichung aus dem Internet aus den Augen, aus dem Sinn? Problem elegant aus der Welt geschafft?
So einfach wie das Bundesgericht sehen das nicht alle Gerichte des Bundes. Das sonst wegen Mobbings und Führungsmängeln viel gescholtene Bundesstrafgericht in Bellinzona etwa wählte bewusst einen anderen Weg. Nachdem es von der Partei-Streichung des Bundesgerichts erfuhr, diskutierte das Bellenzer Richterplenum laut Generalsekretär Marc-Antoine Borel, ob es dem Lausanner Beispiel folgen solle. In Bellinzona war die Parteien-Frage somit ein «basisdemokratischer» Entscheid der Richterschaft, während in Lausanne das Präsidium entschied.
Die versammelten Richterinnen und Richter hätten indessen im August 2020 mehrheitlich entschieden, an der Nennung der Parteizugehörigkeit auf der Website festzuhalten. So ist in den Kurzbiografien bis heute nachlesbar, welcher Partei die 20 Richterinnen und Richter am Bundesstrafgericht angehören.
Nochmals anders verhält sich die Sache am Bundesverwaltungsgericht in St.Gallen mit seinen 73 Richterinnen und Richtern. Wie in Bellinzona sind die Parteizugehörigkeiten auch hier weiterhin am Schluss der Kurzporträts aufgeführt. Man habe damals vom Entscheid des Bundesgerichts, die Partei-Nennung zu streichen, «Kenntnis genommen», so Sprecher Rocco Maglio. «Bisher» sei aber nicht darüber diskutiert worden, ob die Parteizugehörigkeit auf der Website gestrichen werden soll. Ganz geheuer ist das mit der Partei aber auch in St.Gallen nicht. Sprecher Maglio hält fest: «Es gilt jedoch zu betonen, dass die Parteizugehörigkeit der Richterschaft einzig dem schweizerischen Wahlsystem geschuldet ist.» Die St.Galler Richterschaft übe «ihr Amt unabhängig aus», sei «nur dem Gesetz und der Rechtsprechung verpflichtet».