Bundesanwaltschaft
«Ich bin der Chef» – wie Bundesanwalt Blättler das internationale Verbrechen bekämpfen will

Stefan Blättler hielt seine erste Medienkonferenz ab – und demonstrierte, dass er auf Arbeit im Team setzt.

Henry Habegger
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Bundesanwalt Stefan Blättler, Mitte, und seine Stellvertreter Jacques Rayroud, rechts, und Ruedi Montanari, am Freitag auf dem Weg Medienkonferenz.

Bundesanwalt Stefan Blättler, Mitte, und seine Stellvertreter Jacques Rayroud, rechts, und Ruedi Montanari, am Freitag auf dem Weg Medienkonferenz.

Alessandro Della Valle / Keystone

Der beste Chef, den er bisher hatte, sei Stefan Blättler. Das sagte, im Brustton der Überzeugung, Ruedi Montanari, Stellvertretender Bundesanwalt, am Freitag im Gespräch mit CH Media. Das muss etwas heissen, war Montanari doch Blätters gestürztem Vorgänger Michael Lauber bei dessen letzter Wiederwahl noch um den Hals gefallen.

Stefan Blättler, Bundesanwalt, ist seit Anfang Jahr im Amt, gestern hielt er seine erste Medienkonferenz ab, flankiert von seinen beiden ebenfalls vom Bundesparlament gewählten Stellvertretern, Ruedi Montanari und Jacques Rayroud. Communiqués und Redemanuskripte gab es keine. Wie schon kurz nach seiner Wahl stellte Blättler den simplen Satz in den Vordergrund: «Verbrechen dürfen sich nicht lohnen.» Ohne viel Firlefanz skizzierte Blättler die vier Themenbereiche, auf die er sich vor allem konzentrieren will. Das sind der Reihe nach:

  • Kriminelle Organisationen wie die Mafia, darum führten ihn seine ersten und bisher einzigen Auslandreisen nach Rom und Mailand. «Um Italien zu zeigen, dass ich an Zusammenarbeit hoch interessiert bin», sagte Blättler im Gespräch. Künftig soll die BA mehr eigene Verfahren führen statt sich vorab auf Rechtshilfe zu beschränken. Es braucht laut Blättler deutlich mehr Einsatz und Anstrengungen im Kampf gegen die kriminellen Organisationen, dieser Art von «gewinnorientierten Unternehmen», für die die Schweiz ein attraktiver Standort sei.
  • Wirtschaftskriminalität: Darunter versteht Blättler den Kampf gegen internationale Korruption, gegen Geldwäscherei. Damit könne die Bundesanwaltschaft ihren Beitrag für einen sauberen Finanzplatz leisten. Rund 5 Milliarden Franken seien derzeit in Strafverfahren der Bundesanwaltschaft eingefroren.
  • Terror: Der Kampf dagegen dürfe nicht vernachlässigt werden, sagte Blättler, man habe es vermehrt mit Wiederholungstätern zu tun, das gehe nur gemeinsam mit den Kantonen.
  • Völkerstrafrecht: Das ist hoch aktuell angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. Sehr wichtig ist dem neuen Chef der BA, Kriegsverbrecher vor Gericht zu bringen. Blättler hat dafür eine Taskforce eingesetzt, die er selbst leitet. Im Gespräch erklärte er, wie es dazu kam. Er habe im Februar intern gefragt, ob man jetzt 20 Jahre warten wolle, bis ein Kriegsverbrecher in der Schweiz auftauche und man gegen den ermittle. So lange warten wollte niemand, und so entstand die Taskforce, die unter Einbezug aller betroffenen Kräfte proaktiv Material und Zeugenaussagen sammeln will. Dass die Leitung Chefsache ist, dass da alles nur mit Zusammenarbeit im In- und Ausland möglich ist, war für den ehemaligen Kommandanten der Kantonspolizei Bern keine Frage.

Blättler spricht seinen Stellvertretern das Vertrauen aus

Auffallend ist, dass Blättler seine beiden Stellvertreter auch gegen aussen mit einbezieht, er sprach ihnen vor den Medien ohne Umschweife sein Vertrauen aus, auch wenn sie unter Vorgänger Lauber nicht immer die überzeugendste Rolle gespielt hatten. «Wir haben eine gut geführte, gut funktionierende Organisation», sagte er, grosse Umbauten drängten sich nicht auf. Er lobte seine Belegschaft, deren Einsatz und Motivation, ohne irgendwelche Wenn und Aber zu formulieren. Nicht die Vergangenheit zähle, sondern das, was komme, und:

«Wir gehen unsere Herausforderungen nach bestem Wissen und Gewissen an.»

Die Bundesanwaltschaft wirkt unter Blättler derzeit wie befreit, die Stimmung ist weit lockerer als vorher, die Geschäftsleitung ist viel breiter besetzt als noch unter Lauber. Fast die Hälfte sind jetzt Frauen in der vorher frauenlosen Geschäftsleitung, so gibt es jetzt eine Generalsekretärin und eine Informationschefin. Jetzt ist Arbeit im Team angesagt, und das drückt sich auch in der internen Stimmung aus. Die Belegschaft erlebt Blättler als interessierten, Optimismus ausstrahlenden Chef mit einer natürlichen Autorität, die er nicht herausstreicht. Eine Art Patron.

Er schottet sich nicht ab, sondern sucht die Inputs und die Kritik der Belegschaft, was er selbst auch betont. Er hole vor Entscheiden die Meinung seines Umfeldes ein, stütze sie ab, und er erwarte, dass man ihm sage, wenn er auf dem Holzweg sei, sagt er. «Aber am Schluss entscheide ich», sagt Blättler auch noch. Er pflege ein kameradschaftliches Verhältnis auch mit seinen Stellvertretern, sagt er, aber:

«Ich bin der Chef, und das ist unbestritten.»

Weg damit: Sonderermittler erhalten Akten aus Fifa-Verfahren

Der neue Chef will nicht von der Vergangenheit reden – für Vergangenheitsbewältigung sei er nicht zuständig, sondern für Gegenwart und Zukunft und für die Sicherheit und die Durchsetzung des Rechtsstaats. Beispielhaft dafür ist, dass die beiden ausserordentlichen Bundesanwälte, die gegen Fifa-Chef Gianni Infantino und Vorgänger Lauber ermitteln, jetzt Zugang zu allen Verfahrensakten erhalten, was vor Blättler blockiert wurde.

«Ich will das vom Tisch haben», sagt Blättler, er habe «volle Kooperation» angeordnet, diese Sache müsse «zu einem Ende kommen». Zu den nicht protokollierten Treffen seines Vorgängers mag er sich nicht äussern, klar sei, dass er sich an die Strafprozessordnung halte. Seine Mitarbeiter täten das auch.

Unter Blättler wird die Bundesanwaltschaft von der Politik mehr als früher dringende Rechtsanpassungen fordern, etwa in Bezug auf Beschleunigung der Rechtshilfe oder Anpassung der Kompetenzen Bund-Kantone. Er setzt sehr stark auf Zusammenarbeit auf allen Ebenen, den Ansatz mit der bereichs- und behördenübergreifenden Taskforce will er vermehrt einsetzen, damit werde auch automatisch dem Gärtchendenken entgegengewirkt.

Den Kampf gegen die Mafia will er auch personell verstärken. Es brauche den einen oder anderen zusätzlichen Staatsanwalt, sagt er, will sich aber keine Details entlocken lassen. Der Budgetprozess sei derzeit im Gange, sagt er am Rande der Pressekonferenz, mit einem Sandwich in der Hand. Andere sagen, dass beträchtliche Budget-Umschichtungen geplant seien, um den Kampf gegen die internationale Mafia zu verstärken.

Auch das gehört zu Blättler, wie sich zeigte: Er ist nicht der Mann der grossen, medienwirksamen Ankündigungen.