Für mehr als sechs Millionen Franken sensibilisiert das Bundesamt für Gesundheit die Bevölkerung für das Thema Antibiotikaresistenz. Das Geld würde besser für die Forschung eingesetzt, kritisiert eine Expertin.
Es muss etwas Ernsthaftes dahinterstecken, wenn der Bund eine «massenmediale Bevölkerungsinformation» plant. Tatsächlich geht es um «eine der grössten globalen Herausforderungen»: So bezeichnet die Weltgesundheitsorganisation das Problem der Antibiotikaresistenzen. Noch immer sind Antibiotika unabdingbar. Sie bekämpfen Bakterien und machen Krankheiten beherrschbar, die zuvor tödlich waren. Doch Antibiotika haben eine dunkle Seite. Weil sie zu häufig eingenommen werden, entwickeln sich Krankheitserreger, denen die Medikamente nichts mehr anhaben können – man spricht auch von Killerkeimen. Patienten wissen viel zu wenig über die richtige Einnahme von Antibiotika, das zeigen Studien regelmässig auf. Gegen einen viralen Infekt etwa nützen diese nichts.
Die Schweizer Behörden wollen das Problem nun entschiedener anpacken: Im November dieses Jahres startet eine grosse Kampagne gegen Antibiotikaresistenzen, wie das federführende Bundesamt für Gesundheit (BAG) gegenüber der «Nordwestschweiz» bestätigt. Ziel sei die Information und die Sensibilisierung der Bevölkerung. «Es wird aufgezeigt, dass unwirksame Antibiotika aufgrund resistent gewordener Bakterien jede und jeden betreffen können», sagt BAG-Sprecherin Katrin Holenstein.
Im Kampf gegen Resistenzen steht nicht nur die Humanmedizin in der Pflicht. «One Health» lautet der Begriff der Stunde. Neben dem BAG sind das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen, das Bundesamt für Umwelt sowie das Bundesamt für Landwirtschaft beteiligt. Sie verabschiedeten bereits 2015 gemeinsam die «Strategie Antibiotikaresistenzen». Eines ihrer Ziele ist die Früherkennung von resistenten Keimen. Im Fokus steht namentlich auch die Landwirtschaft, gilt doch die industrielle Tierhaltung als Brutstätte für antibiotikaresistente Bakterien.
Menschen sterben in der Schweiz jährlich an den Folgen einer spitalbedingten Infektion, so Schätzungen. Ein namhafter Teil dieser Infektionen sei auf resistente Keime zurückzuführen, heisst es bei der schweizerischen Expertengruppe im Bereich Infektiologie und Spitalhygiene (Swissnoso).
Für die Kampagne gegen Antibiotikaresistenzen zeichnet sich die Zürcher Werbeagentur Havas verantwortlich. Sie hat sich soeben in einem mehrstufigen Vergabeverfahren durchgesetzt. In der Gesundheitsprävention des Bundes soll die Kampagne gegen Antibiotikaresistenzen fortan einen hohen Stellenwert geniessen – vergleichbar mit der berühmten Stop-Aids-Kampagne oder der Tabakprävention «Smoke free». Allein das Auftragsvolumen für die Werbeagentur beläuft sich auf 6,18 Millionen Franken, wie der Zuschlagsentscheid zeigt.
Das erste Jahr der Kampagne richtet sich an die Gesamtbevölkerung. Man wolle aufzeigen, wie wichtig Antibiotika für die Behandlung bakterieller Infektionen sind und das Problem der Resistenzbildung thematisieren, so BAG-Sprecherin Holenstein. In den Folgejahren stünden «vertiefte und spezifische Informationen» im Mittelpunkt. Erreicht werden sollen dann auch Fachleute wie Ärzte, Veterinäre, Apotheker und Landwirte. Konkreter will sich Holenstein noch nicht zu der Kampagne äussern. «Die Agentur ist dabei, gemeinsam mit dem BAG und den beteiligten Bundesämtern ein Feinkonzept auszuarbeiten.»
Millionen für eine breit angelegte Kampagne? «Ich bin nicht sicher, ob das Geld so wirklich sinnvoll eingesetzt ist», sagt SP-Nationalrätin Bea Heim. Die Gesundheitspolitikerin leitet den «Round Table Antibiotika», eine interdisziplinäre Expertengruppe aus Forschung und Wirtschaft, die besser koordinierte Aktivitäten zur Entwicklung neuer Antibiotika fordert.
Heim betont, selbstverständlich sei jede Massnahme im Kampf gegen Resistenzen zu begrüssen. Ebenso sei Sensibilisierung unabdingbar. «Aber dafür braucht es kaum eine Kampagne, die sich an die ganze Bevölkerung richtet.» Wichtiger sei es, das Engagement von Fachleuten zu gewinnen; sowohl Ärzteschaft und Apotheker als auch Veterinäre und Bauern sollten noch stärker eingebunden werden.
Grundsätzlich begrüsst Heim die Bestrebungen des Bundes. Seine 2015 verabschiedete Strategie sei jedoch erst ein erster Schritt in die richtige Richtung. Grossen Nachholbedarf ortet die Nationalrätin in der Forschung. Die Entwicklung neuer Antibiotika müsse national und international vorangetrieben werden, fordert Heim. «In diesem Bereich würde das für die Kampagne eingesetzte Geld dringender benötigt.»